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Irak vor humanitärer Katastrophe?

Mahmoud Tawfik15. April 2004

Die andauernde Gewalt im Irak hat dazu geführt, dass die Hilfsorganisationen ihre Arbeit erheblich einschränken mussten. Die UNO möchte sich vorerst nicht einmischen - aus Sicherheitsgründen.

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In Scharen verlassen die internationalen Helfer den IrakBild: AP

Vor einigen Tagen wagte die arabische Tageszeitung Al-Hayat einen beunruhigenden Vergleich, als sie Parallelen zwischen dem ehemaligen Bürgerkrieg im Libanon und der jetzigen Situation im Irak zog. Auch damals seien Entführungen und deren mediale Inszenierung an der Tagesordnung gewesen. Und mit dem jetzigen Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen - Lakhdar Brahimi - vermittle im Irak ein Mann, der seinerzeit als Entsandter der Arabischen Liga zu einem Ende der Auseinandersetzungen im Libanon beitrug.

Dementsprechend, so die Zeitung weiter, seien irakische Exilanten, die nun aus dem Libanon zurückkehrten, in ihrem Heimatland besonders willkommen. Denn diese wüssten aus der Erfahrung des 20-jährigen libanesischen Bürgerkrieges, wie man mit Sprengstoff-Fahrzeugen umgehe, mit verirrten Kugeln und mit Flächenbombardement.

Frustrierte Helfer

Als einer der letzten deutschen Helfer hat Frank McAreavey von der Organisation Help vor wenigen Tagen den Irak verlassen. Bombendrohungen sind für ihn schon "irakischer Alltag". Aber erst die Geiselnahmen hätten die Helfer richtig frustriert: "Wenn man sich nicht mehr draußen bewegen kann, dann bringt es auch im Grunde genommen nichts."

Nur wenige widersprechen heute, wenn zur Beurteilung der Lage im Irak längst vergangene Horrorszenarien heraufbeschworen werden - neben dem ethnisch und religiös zerstrittenen Libanon auch Vietnam und das somalische Mogadischu. Allein was die Stadt Falludscha angeht, ist die Rede von über 600 Toten, mehr als 1000 Verletzten und 5000 Flüchtlingen.

Gewalt und Not

Die humanitäre Situation im Irak sei katastrophal, meinen Menschenrechts- und Hilfsorganisationen. Und die internationalen Hilfsorganisationen befinden sich in einer prekären Lage: einerseits ist ihr Einsatz nie notwendiger gewesen, andererseits müssen sie wegen der angespannten Sicherheitslage ihre Arbeit erheblich einschränken. Inzwischen haben nahezu alle internationalen Mitarbeiter der Hilfsorganisationen den Irak verlassen.

Was bleibt, ist eine Spirale aus Gewalt, Not und Hilflosigkeit. Beobachter sind fest davon überzeugt, dass der Irak nur anhand von intensiven Wiederaufbaubemühungen zu stabilisieren ist. Und sie sehen im Unmut der Bevölkerung über die teils miserable Versorgungslage - über den Mangel an Strom, Wasser und Nahrung - eine wichtige Ursache für die anhaltenden Auseinandersetzungen.

Wie kann die Lage stabilisiert werden?

Dennoch bleibt die Frage, warum auch Hilfsorganisationen unsd die UNO, die im derzeitigen Konflikt keine Partei ergreifen, im Irak um ihre Sicherheit fürchten müssen. Gesine Wolfinger von der Katastrophenhilfe der Diakonie hat eine Erklärung: die zunehmende Vermischung zwischen militärischen und humanitären Aktionen - zumindest in der Wahrnehmung. Zwar solle die Hilfe unabhängig und unparteilich sein, allerdings dürfe auch der Sicherheitsaspekt nicht außer Acht gelassen werden: "Es ist einfach sehr gefährlich für zivile Helfer, wenn sie auf irgend einer Seite des Konfliktes vermutet werden."

Die Arbeit der humanitären Organisationen kann zwar mit Hilfe von einheimischen Mitarbeitern fortgesetzt werden, jedoch nur eingeschränkt. Damit drängt sich die Frage auf, wie die Lage im Irak wieder stabilisiert werden könnte - nachdem einerseits weder die Besatzungstruppen noch der irakische Regierungsrat das volle Vertrauen der Bevölkerung genießen. Und andererseits jene unabhängigen Parteien wie Hilfsorganisationen oder gar die UNO, die durch Vertrauensaufbau und materielle Unterstützung die Gewaltspirale stoppen könnten - offenbar erst dann zurückkehren wollen oder können, wenn die Krise beendet ist.