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Gefährlicher Job

28. August 2009

Politik und Gesellschaft karikieren - in arabischen Medien ein schmaler Grat. Das hat der Karikaturenstreit vor zwei Jahren gezeigt. Die Arbeit solcher Zeichner ist in arabischen Ländern nicht ganz ungefährlich.

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Libanons Starkarikaturist Stavro zeichnet alle und alles, sagt er. Und tatsächlich: In den Zeichnungen, die sich auf seinem Tisch stapeln, scheint alles drin, was am Libanon und dem Nahen Osten so dran ist: textilarme libanesische Girlies, dollargeile arabische Staatschefs und unbekümmerte Clanführer, die sich alle paar Monate geostrategisch ganz neu orientieren. Nein, das 62-jährige Energiebündel namens Stavro kennt keine Tabus: "Natürlich zeichne ich Hassan Nasrallah. Bis er aufhört, Politik zu betreiben. Ich feinde ihn ja nicht persönlich an. Schließlich agiert er mehr als Politiker denn als Kleriker", erklärt der Starkarikaturist.

arabische Karikaturen von Sahar Burhan
Karikaturisten in der arabischen Welt kommen ohne viele Worte ausBild: Sahar Burhan

Taktvolles porträtieren

Damit aber verrät Stavro, dass er von der klerikalen Rolle des Schiitenführers lieber die Finger lässt. Und wenn er ihn in seiner politischen Funktion aufs Korn nimmt, dann sieht das so aus: ein ernster Mann mit überdimensionalem Kopf und kleinem Körper. Genauso taktvoll porträtiert er auch die mächtigen saudischen Prinzen.

Ganz so einfach scheint die Sache mit dem Humor also doch nicht. Nicht einmal in Libanons angeblich so freier Presse. Die syrische Karikaturistin Sahar Burhan macht daraus gar keinen Hehl: "Alle behaupten, es gebe keine Tabus. Die Praxis sieht ganz anders aus. Ich habe mal einen arabischen Politiker als Marionette gezeichnet, die von einer Hand bewegt wird. Der Chefredakteur lehnte es ab. Warum? Wo, ich doch nicht mal was dazugeschrieben habe? Das ist ja noch schlimmer, meinte er zu mir", erinnert sich Sahar Burhan an ihre Erfahrungen mit einer libanesischen Tageszeitung.

Sexuelle Anspielungen sind Tabu

Religiöse oder sexuelle Anspielungen und persönliche Angriffe – oder was als solches ausgelegt werden kann – werden weiträumig umschifft. Dennoch glaubt Sahar, dass Karikaturisten im Libanon mehr Freiheiten als Journalisten haben. Denn die Diktatoren, sagt sie, verstünden meist nur direkte Worte. "Karikaturisten aber setzen meist Symbole ein und entkommen so den repressiven Regimen."

Und so spielt die hochtalentierte junge Frau nicht zu knapp mit Symbolen, etwa wenn sie die permanente Bedrohung, die Diktatoren für ihre Untertanen darstellen, in Form eines Galgens darstellt, auf den ein kleiner gelber Ball zurollt. Denn die Schlinge am Galgen ist: ein Tennisschläger. Intelligent, elegant, dabei recht keck und vor allem – ohne Worte. Bewusst verzichtet Sahar auf Sprechblasen und witzige Kommentare.

Karikatur von Sahar Burhan
Karikaturen sind im Libanon voller SymbolikBild: Sahar Burhan

Fehlender Nachwuchs

Und das nicht nur, um der Beschränktheit der Zensurbehörden entgegenzukommen. Sondern auch, weil sie simple Überzeichnungen zwar lustig findet aber mit der politischen Karikatur ganz andere Dimensionen erreicht: "Du kannst etwa eine Hand zeichnen, die eine Rose einpflanzt, allerdings indem sie mit dem Hammer auf die Rose einschlägt. Das hat eine politische Dimension, denn ganz sicher sprechen wir nicht von Landwirtschaft", lacht Sahar.

Vom Kaliber Sahar Burhans lassen sich im arabischen Raum nicht viele finden. Am mangelnden Talent liege das nicht – wohl aber an den arabischen Diktatoren, meint Jean Maschalani, einer der ältesten Hasen aus der libanesische Karikaturszene. "Ägypten beispielsweise hat sich enorm zurück entwickelt. Seine Karikaturisten waren mal die Besten im Nahen Osten. Abdel Sami‘, Saruchan, Salah Jahin und und… Wir haben immer die ägyptischen Zeitungen studiert. Heute ist davon nichts mehr übrig geblieben", bedauert Maschalani. Und das sei ein großer Jammer, wenn man bedenke, welche Angriffsfläche der Nahe Osten zu bieten habe, pflichtet ihm Sahar Burhans bei. "Ein schwedischer Karikaturist hat mal zu mir gesagt, ihr im Nahen Osten seid beneidenswert, weil ihr so viele schrecklich anregende Themen habt."

Autorin: Mona Sarkis

Redaktion: Stephanie Gebert