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Lissabon EU

30. Juni 2009

Das Bundesverfassungsgericht hat die Ratifizierung des EU-Reformvertrags gestoppt. Zuerst müsse das Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag geändert werden, denn das sei verfassungswidrig. Bernd Riegert kommentiert.

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Der Vertrag von Lissabon (13.12.2007/AP Photo/Paulo Duarte)
Das Begleitgesetz zum Vertrag von Lissabon hat die Richter in Karlsruhe beschäftigtBild: AP

Das Bundesverfassungsgericht hat den EU-Reformvertrag von Lissabon im Grundsatz für vereinbar mit der deutschen Verfassung erklärt. Alles andere wäre auch eine Sensation gewesen, ein Schlag ins Gesicht der Bundesregierung, die den Vertrag schließlich ausgehandelt hat.

Neues Gesetz im Schnellverfahren

CSU-Politiker Peter Gauweiler (10.02.2009/AP Photo/Winfried Rothermel).
CSU-Politiker Peter Gauweiler hat gegen den Vertrag von Lissabon geklagt - mit bescheidenem ErfolgBild: AP

Diesen Mut brachten die Richter nicht auf, obwohl sie in den 140 Seiten Urteilsbegründung eine Menge an der Europäischen Union und ihren Entscheidungswegen auszusetzen hatten. Doch die Summe der Bedenken reichte nicht aus, den Verfassungsbeschwerden gegen den neuen EU-Vertrag im Kern statt zu geben. Stattdessen knöpften sich sieben der acht Richter das Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag vor, das die Rechte und die Mitwirkung des Bundestages in der Europäischen Union regelt.

Dieses Gesetz ist verfassungswidrig, was einer schallenden Ohrfeige für den Bundestag gleichkommt. Entsprechend konnte die Fraktion der Linken, die als einzige Fraktion gegen das Gesetz gestimmt hat, triumphieren. Jetzt muss im Eiltempo nachgebessert werden. Ob dieses Gesetz besser wird, muss sich noch zeigen. Eine neue Verfassungsbeschwerde gegen das nachgebesserte Begleitgesetz wollten Antragsteller in Karlsruhe jedenfalls nicht ausschließen.

Kommt das neue Gesetz nicht rechtzeitig vor den Bundestagswahlen Ende September 2009 zustande, gerät der Zeitplan für das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages in der EU ins Wanken. Denn im Oktober 2009 sollen die irischen Wähler zum zweiten Mal über den Lissabon-Vertrag befinden. Der europaskeptische Präsident Tschechiens, Vaclav Klaus, wird das Urteil aus Karlsruhe sicher so deuten, dass er seine Unterschrift unter die tschechische Ratifizierungsurkunde noch weiter ungebührlich hinauszögern kann.

Ein salomonisches Urteil

Bundeskanzlerin Angela Merkel unterschreibt den EU-Reformvertrag von Lissabon in Lissabon (13.12.2007/AP Photo/Armando Franca)
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist für den EU-ReformvertragBild: AP

Im Kern ist das Bundesverfassungsgericht seiner bisherigen Linie treu geblieben: Die europäische Integration wird wohlwollend, aber kritisch begleitet. Immer, wenn deutsche Souveränität, die Kontrolle durch das Parlament oder Grundrechte angetastet werden könnten, sagt das Bundesverfassungsgericht "Stopp!". Solange die Europäische Union in den Augen der Richter nur ein Staatenbund bleibt und kein Bundesstaat wird, haben die Verfassungshüter gegen eine Mitgliedschaft Deutschlands nichts einzuwenden.

Neu ist, dass sie einen starken Parlamentsvorbehalt fordern, für alle Schritte, die der EU neue Kompetenzen zubilligen könnten. Diese so genannte Kompetenz-Kompetenz darf die EU nach Ansicht der Richter nie bekommen. Nach dem Urteil in Karlsruhe sahen sich sowohl Kläger als auch Beklagte als Sieger. Also: Ein salomonisches Grundsatz-Urteil, das alle glücklich macht. Für künftige Vertragsänderungen hat das Verfassungsgericht aber hohe Hürden aufgerichtet.

Erleichtert können die Beitrittskandidaten und Bewerber auf dem Balkan sein. Sie sind einer Aufnahme in die EU wieder ein Stück näher gekommen. Denn ohne Lissabon-Vertrag würde es keine Erweiterung mehr geben können.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Julia Kuckelkorn / Mareike Röwekamp