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Gesellschaft

Kirchen wollen "gemeinsam glauben"

11. März 2017

Eine fast historische Stunde: Vor dem 500. Jahrestag der Reformation feiern Protestanten und Katholiken einen Versöhnungsgottesdienst. Bundespräsident Gauck dringt im Anschluss auf Gemeinschaft beim Abendmahl.

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Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx
Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender (links), und Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen BischofskonferenzBild: picture alliance/dpa/J. Schulze/epd Pool

Joachim Gauck zeigt sich plötzlich gerührt wie selten bei einer seiner offiziellen Reden. "Für die Menschen meiner Altersgruppe", sagt der Bundespräsident und weist auf seinen 77 Jahre hin, sei das geradezu unglaublich. Gauck, dieser Mann der Wende von 1989, zieht den Vergleich zu den historischen "Umwälzungen", die er erlebt habe.

Deutschland feiert das Jubiläum der Reformation. Ende Oktober 2017 ist es 500 Jahre her, dass Martin Luther, der Mönch aus Wittenberg, auf stand gegen die moralisch verfallene Papstkirche in Rom. Das führte zur Kirchenspaltung. Zu Kriegen und Hass. Die Feindschaft zwischen Katholiken und Protestanten spaltete sogar Familien. An diesem Samstag feierten nun Deutschlands gespaltene Christen erstmals überhaupt einen solch zentralen Versöhnungs-Gottesdienst.

Predigt im Duett

Ein Ereignis, das viele in der Hildesheimer Michaeliskirche bewegt. Das liegt vor allem an Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm auf evangelischer und Kardinal Reinhard Marx auf katholischer Seite. Sie wollen "statt Profilierung stärker die Suche nach Gemeinsamkeiten" hervorheben. 

Kaum 55 Minuten - die Fernsehübertragung gibt ein enges Zeitkorsett vor - dauert der Gottesdienst. Die Zuschauer und Gäste des Gottesdienstes erleben eine Art Duett. Allein in sieben Minuten gemeinsamer Predigt gibt es vier Mal Marx, vier Mal Bedford-Strohm. Der sagt: "Wir wollen in der Zukunft nicht mehr getrennt glauben. Wir wollen gemeinsam glauben." 

Und gegen Ende der Feier formulieren sie in wenigen Sätzen abwechselnd gemeinsame "Selbstverpflichtungen": zu einer Kultur des Dialogs und der Zusammenarbeit auf allen Ebenen beispielsweise, zu mehr ökumenischen Feiern, zu gemeinsamen Auftreten in der Gesellschaft, zu mehr Miteinander im sozialen Bereich, mehr Engagement für Paare, die verschiedenen Kirchen angehören.

Wie neu diese Betonung des Gemeinsamen immer noch ist, zeigt der Ort der Feier. Hinten im rund 1000 Jahre alten Kirchenraum, hinter der Orgel, findet sich ein nur scheinbar alter Durchbruch in der dicken Wand. Er ist erst rund zehn Jahre alt. Und führt aus dem evangelischen Kirchenraum in den bis heute katholischen Teil des ehrwürdigen Baus, die Krypta.

Versöhnungs-Gottesdienst in Hildesheim - Zum 500. Reformationsjubiläum
Die Michaeliskirche in HildesheimBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Strikte Sicherheitsmaßnahmen

Ökumene 2017 geschieht in Zeiten der Terrorangst. Ein doppelter Ring von Absperrungen zieht sich in weitem Kreis um die Michaeliskirche. Berittene Polizisten patrouillieren. Spürhunde ziehen vor dem Einlass der Gäste durch das Gotteshaus. Und selbst vor anderen Kirchen Hildesheims stehen mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten aus verschiedenen Regionen Niedersachsens.

So bleibt die Feier, zu der neben Gauck auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Norbert Lammert gekommen sind, ein sehr offizieller Rahmen. Vor drei, vier Jahrzehnten hätten sich an einem solch warmen Vorfrühlingstag vermutlich Tausende um die Kirche gedrängt und ökumenische Ungeduld demonstriert. Heute bewegt das ansonsten zähe Gezerre der Ökumene die Frommen kaum noch.

Das liegt auch an wesentlichen Fragen bei denen die Sichtweisen beider Seiten weit auseinander liegen. So lässt die katholische Kirche evangelische Christen strikt nicht zur Eucharistie zu. So bleibt nur die Selbstverpflichtung von Bischof und Kardinal, daran zu arbeiten, "dass Schritte zur sichtbaren Einheit gemacht werden". Für einen tatsächlich historischen Moment reicht das nicht.

Versöhnungs-Gottesdienst in Hildesheim - Zum 500. Reformationsjubiläum
Verfolgen den Gottesdienst: Bundespräsident Joachim Gauck, seine Lebensgefährtin Daniela Schadt, Gertrud Lammert und ihr Mann, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Kanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Stephan Weil (von rechts nach links)Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Es braucht da schon schon die Ungeduld eines Joachim Gauck, der nach dem Gottesdienst das Wort ergreift und auf die Frage der Mahlgemeinschaft Bezug nimmt. Das "eigentliche ökumenische Wagnis echter Gemeinsamkeit steht den Kirchen noch bevor", mahnt der Präsident, der im früheren Leben evangelischer Pfarrer war. Und er sei überzeugt, "dass wir dieses Wagnis" eingehen können.

Im Rede-Manuskript stand das nicht so deutlich. Und als Gauck schließt, stehen die knapp 400 Zuhörer auf und klatschen. Wenigstens einer hat es also gesagt.