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Kommentar: Warum Uribe bleibt

Steffen Leidel 29. Mai 2006

Die Probleme Kolumbiens hat Alvaro Uribe nicht kuriert, aber ihre Symptome bekämpft. Ob der Konservative dem Land nachhaltig Frieden bringen kann, wird die zweite Amtszeit zeigen, meint Steffen Leidel.

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Ungewöhnlich emotional: Alvaro Uribe ist sonst eher unterkühltBild: AP

Südamerika rückt nach links, das ist die Regel zurzeit. Die Ausnahme davon ist Kolumbien. Das bleibt rechts. Hier ist nichts zu spüren von der Hugo-Chavez-Euphorie oder dem Evo-Morales-Fieber. Mit großer Mehrheit ist der 53-jährige Alvaro Uribe - einer der letzten konservativen US-Verbündeten in Südamerika - wieder gewählt worden. Uribes Unterstützer sind ihm dankbar für seine Politik der "demokratischen Sicherheit", eine Politik der harten Hand gegenüber der Guerilla. Viele Kolumbianer fühlen sich in der Tat sicherer. Zahlreiche Landstraßen sind wieder benutzbar, an denen früher Entführungen und Überfälle drohten. In der Hauptstadt Bogota gibt es aufgrund des gestiegenen Sicherheitsgefühls wieder einen Bauboom.

Die Linke mit ihrem Spitzenkandidaten Carlos Gaviria konnte zwar für ihre Verhältnisse gut abschneiden, gefährlich wird sie Uribe jedoch nicht. Nach wie vor haben viele Kolumbianer die Formel verinnerlicht, wer für die Linke ist, ist für den Kommunismus der Guerillagruppe FARC. Uribe hat es stets verstanden, diese Furcht mehr oder weniger unterschwellig zu schüren und die Aufmerksamkeit auf seine Erfolge zu lenken. Im Wahlkampf vermied er jegliche Diskussion mit seinen Rivalen, stattdessen ließ er keine Gelegenheit aus, Erfolgsstatistiken zu präsentieren. Tatsächlich ist die Zahl der Morde und Entführungen zurückgegangen, die Arbeitslosigkeit gesunken, das Wirtschaftswachstum beachtlich.

Landbevölkerung geht es schlecht

Die Begeisterung für Uribe ist jedoch relativ. Die Wahlbeteiligung lag bei lediglich 44 Prozent. Uribes Erfolgszahlen beeindrucken vor allem die Menschen in den Städten. Die Landbevölkerung erlebt eine ganz andere Realität. Hier herrscht bittere Armut, zwei Millionen Binnenflüchtlinge gibt es, nur im Sudan sind es mehr. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil der verarmten Bevölkerung gar nicht gewählt hat.

Uribe muss sich den Vorwurf gefallen lassen, der Bekämpfung der Armut keine Priorität eingeräumt zu haben. Auch die Kritik der Menschenrechtsorganisationen an dem gewaltsamen Vorgehen der Militärs ist mehr als berechtigt. Fairerweise muss man allerdings sagen, dass nach vier Jahren Regierungszeit ein 40-jähriger Bürgerkrieg nicht einfach so gelöst werden kann. Kolumbien ist ein klassisches Beispiel für das, was man in der Politikwissenschaft als "asymmetrischen Konflikt" bezeichnet. Die Staatsmacht steht zahlreichen nichtstaatlichen Gewaltakteuren entgegen. In Kolumbien sind das die linken Guerillaorganisationen FARC und ELN und die rechten Paramilitärs, die nach wie vor große Teile des Territoriums in ihrer Gewalt haben. Sie leben vom Krieg und der Gewalt und haben deshalb auch kein Interesse am Frieden. Typisch für diese Konflikte ist auch die Verflechtung mit der internationalen Kriminalität.

80 Prozent des weltweit konsumierten Kokains stammt aus Kolumbien. Die Anbaufläche ist zwar zurückgegangen, die Produktivität der Felder jedoch gestiegen: statt drei Mal wird nun vier bis fünf Mal pro Jahr geerntet. Die Guerilla lebt gut davon - nach wie vor beschäftigt sie rund 17.000 Kämpfer, besiegt ist sie noch lange nicht.

Uribe muss Zugeständnisse machen

Uribe hat die Kolumbianer um mehr Zeit gebeten, um das Land zu befrieden. Gegen Massenproteste hatte er 2004 mit Unterstützung des Parlaments eine Verfassungsänderung durchgesetzt, die ihm eine zweite Amtszeit erlaubte. Diese Zeit hat er nun bekommen. Bislang beschränkte sich Uribe vor allem auf Symptombekämpfung. Nun ist die Frage, ob er nachhaltig Frieden schaffen kann.

Dafür muss er Zugeständnisse machen. Der Kampf gegen die Armut muss Priorität bekommen. Außerdem bleibt ihm keine andere Wahl als mit der größten Guerillaorganisation FARC zu verhandeln. Mit dem kleineren Nationalen Befreiungsheer ELN gibt es immerhin bereits erste (schleppende) Gespräche. Bislang hat Uribe der FARC noch kein annehmbares Verhandlungsangebot unterbreitet. Das wird ihm auch schwer fallen, bezeichnet er doch die FARC kategorisch als Terroristen. Politische Verhandlungen würden sie aufwerten. Allerdings untergräbt er seine Glaubwürdigkeit, wenn er den für zahlreiche Massaker berüchtigten Paramilitärs milde Strafen verspricht und die Guerilla links liegen lässt.

Uribe und sein wichtigster Verbündeter, die USA, müssen einsehen, dass ihre Strategie, das Drogenproblem durch Bekämpfung des Kokaanbaus zu lösen, gescheitert ist. Vier Milliarden Dollar hat man in den Plan Colombia gesteckt. Kokafelder wurden zerstört und mit Gift besprüht. Genutzt hat es nichts, stattdessen wurden der Boden und das Trinkwasser in einigen Regionen vergiftet. Außerdem haben es Uribe und die USA versäumt, die Kokabauern, deren Felder sie zerstörten, zu entschädigen und ihnen Alternativen anzubieten. Kolumbien braucht bei der Drogenbekämpfung aber auch die Unterstützung der Konsumentenländer. Experten der Drogenbekämpfung fordern seit langem die Legalisierung der Drogen, selbst Diplomaten sprechen davon - öffentlich zu fordern wagt das aber noch keiner. Hinter einer solchen Maßnahme steckt die Hoffnung, den kriminellen Strukturen im internationalen Drogenhandel den Nährboden zu entziehen. Im Kampf gegen das organisierte Verbrechen liegt der Schlüssel zur Bekämpfung des Drogenhandels und damit auch zu einem nachhaltigen Frieden.