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Kommentar: Wo bleibt die Exit-Strategie?

Nina Werkhäuser14. September 2006

Die Zustimmung des Bundestages zum deutschen Nahost-Einsatz ist so gut wie sicher, denn das Risiko ist kalkulierbar. Damit wird die Bundeswehr endgültig zur Einsatzarmee ohne Grenzen, meint Nina Werkhäuser.

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Eine "historische Dimension" habe der Bundeswehr-Einsatz im Nahen Osten für Deutschland - so formulierte es Bundeskanzlerin Angela Merkel, nachdem das Kabinett der Mission zugestimmt hatte. Es ist in der Tat ein historischer Beschluss, bewaffnete deutsche Soldaten in den Nahen Osten zu schicken. Gut 60 Jahre lang war ein solcher Einsatz unvorstellbar, weil zwischen deutschen Soldaten und Israel die größtmögliche Distanz liegen sollte, aus verständlichen historischen Gründen.

Dass aus dem Tabu so zügig außenpolitische Realität geworden ist, mag verwundern - aber de facto hatte die Bundesregierung keine andere Wahl. Hätte sie sich dem Einsatz entzogen, hätte sie ihre außenpolitische Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt und ihre Nahost-Politik in den letzten Wochen ad absurdum geführt. Israel hat sich eine Beteiligung der Bundeswehr ausdrücklich gewünscht - das war nicht nur die wichtigste Voraussetzung, sondern geradezu eine Verpflichtung.

Rote Linie bleibt

Ohne die Zustimmung Israels hätte es diesen Kabinettsbeschluss niemals gegeben. Trotzdem existiert immer noch eine rote Linie, die die Bundesregierung klar definiert und nicht überschritten hat: Keine Bodentruppen in den Nahen Osten. Diesen Part der UNIFIL-Mission sollen und werden andere Länder übernehmen. Sie müssen sich mit der schwierigen Aufgabe herumschlagen, gemeinsam mit der libanesischen Armee die Hisbollah in Schach zu halten - wie das genau funktionieren soll, ist noch nicht klar.

Die Bundesregierung hält sich da heraus und konzentriert sich auf den Einsatz der Marine, die den Waffennachschub für die Hisbollah von Seeseite blockieren soll. Wie effektiv das sein wird, ist aus jetziger Perspektive nicht vorherzusagen. Deutschland wird einen europäischen Marineverband führen, der ein robustes Mandat hat, Schiffe also notfalls mit Gewalt stoppen und durchsuchen darf.

Einsatzdauer ungewiss

Aber trotz aller Gefahren bleibt das Risiko kalkulierbar. Nur so kann die Bundesregierung die Zustimmung des Bundestags in der nächsten Woche erreichen. Die gilt als sicher - und damit wird die Bundeswehr endgültig zur Einsatzarmee ohne Grenzen. Aber dafür wird die Bundesregierung einen hohen Preis zahlen müssen, vor allem, weil die Auswahl der Einsätze in der Gesamtschau inzwischen eine gewisse Beliebigkeit erreicht hat.

Die Interessen im Nahen Osten sind nachvollziehbar, aber ist der Einsatz im Kongo wirklich notwendig? Die jetzt beschlossene neue große Mission im Nahen Osten mit bis zu 2400 Soldaten könnte, wie die Einsätze im Kosovo und in Afghanistan, ebenfalls Jahre dauern, und der Erfolg ist ungewiss. Das sollte die Bundesregierung zum Anlass nehmen, ihre sicherheitspolitischen Interessen endlich klar zu definieren und bei diesem neuen Einsatz von vorneherein eine klare Exit-Strategie zu entwickeln - jetzt ist noch Zeit dafür.