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Krisenmüde Portugiesen wählen Regierung ab

6. Juni 2011

Die Sozialisten von Premier Socrates haben bei der Parlamentswahl eine schwere Schlappe erlitten. Angesichts der Schuldenkrise in Portugal stimmten die Bürger des ärmsten Staates Westeuropas für den Regierungswechsel.

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Stimmzettel wird in Urne gesteckt (Foto: AP)
Die meisten Portugiesen machten ihr Kreuz bei OppositionsparteienBild: AP

Im pleitebedrohten EU-Staat Portugal übernehmen wieder die Konservativen die Macht. Die vorgezogene Parlamentswahl vom Sonntag brachte klare Ergebnisse: Während sich die seit 2005 regierende Sozialistische Partei (PS) von Regierungschef Jose Socrates mit nur noch 28 Prozent der Stimmen begnügen muss, erhielt die liberal-konservative Partei der Sozialdemokratie (PSD) von Spitzenkandidat Pedro Passos Coelho fast 39 Prozent, wie das Innenministerium in Lissabon am Montagmorgen (06.06.2011) mitteilte. Gemeinsam mit der rechtskonservativen Volkspartei (CDS-PP), für die knapp 12 Prozent der Wähler stimmten, kann die PSD von Passos Coelho nun eine starke Regierung mit absoluter Mehrheit der Parlamentssitze bilden.

Rückzug

Jose Socrates (Foto: AP)
Rücktritt als Sozialistenführer: Wahlverlierer Jose SocratesBild: ap

Socrates räumte die Niederlage seiner Sozialisten ein und kündigte seinen Rücktritt als Parteichef an. Er sei für die Wahlschlappe der PS verantwortlich und werde zunächst überhaupt kein politisches Amt mehr übernehmen, fügte der 53-Jährige hinzu.

Die Neuwahlen in Portugal waren nötig geworden, nachdem das Parlament in Lissabon Ende März Socrates' Minderheitsregierung die Zustimmung zum vierten Sparpaket binnen eines Jahres verweigert hatte. Socrates hatte daraufhin seinen Rücktritt als Ministerpräsident erklärt, er war jedoch geschäftsführend im Amt geblieben und auch in den Wahlkampf gezogen.

Um eine Staatspleite abzuwenden, musste die Regierung im April den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Europäische Union um Hilfe bitten. EU und IWF bewilligten schließlich im Mai ein Hilfsprogramm in Höhe von 78 Milliarden Euro - im Gegenzug muss Portugal allerdings ein hartes Spar- und Reformprogramm auflegen sowie Staatsbesitz verkaufen. Das westeuropäische Land verpflichtete sich, die Neuverschuldung von rund sechs Prozent in diesem Jahr bis 2013 unter die vom europäischen Stabilitätspakt vorgegebene Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken.

Widerstand

Pedro Passos Coelho (Foto: dpa)
Muss sich auf Gegenwind einstellen: Wahlsieger Pedro Passos CoelhoBild: picture alliance/dpa

Gewerkschaften, linksgerichtete Parteien und zahlreiche Bürgerbewegungen kündigten für die nächsten Monate weitere massive Proteste gegen die Sparpläne an. In einem Land, in dem das Mindestgehalt bei 475 Euro liege und die Arbeitslosenrate das Rekordniveau von 12,5 Prozent erreicht habe, könne man den Familien keine Opfer mehr abverlangen, warnte Caritas Portugal.

Die Lage des Landes sei so dramatisch, dass "der Wahlsieger der eigentliche Verlierer sein könnte", glaubt der Sozialist Mario Soares. Der legendäre Ex-Ministerpräsident und -Präsident, der die Demokratisierung Portugals nach der sogenannten Nelkenrevolution von 1974 anführte, befürchtet, dass nach den Wahlen "alles schlimmer wird".

Anfang Juli soll die neue Regierung die Amtsgeschäfte übernehmen - unter der Führung von Passos Coelho. "Auf uns kommen große Probleme zu", ist sich der 46-jährige gelernte Volkswirt bewusst, doch er demonstriert auch Zuversicht: "Unser Land wird zur Normalität zurückkehren."

Autor: Christian Walz (dpa, rtr, afp, dapd)
Redaktion: Siegfried Scheithauer