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Kultur des Sparens?

Michael Brückner1. Juli 2003

Woher kommt das Geld für die Kultur? Ausgerechnet in wirtschaftlichen Krisenzeiten sollte man da nicht unbedingt auf rettende Sponsoren hoffen.

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Mörderische Zeiten für die klassische Hochkultur - Maria Callas als Medea 1959Bild: AP

In diesem Sommer liegen die Nerven der deutschen Kulturpolitiker und Kulturmanager blank. Den Städten und Gemeinden in Deutschland droht reihenweise die Zahlungsunfähigkeit und in ihrer verzweifelten Suche nach Auswegen aus der Verschuldungsfalle stürzen sich immer mehr Finanzpolitiker auf die Kulturetats.

Auch vom Bund ist bei der derzeitigen Haushaltslage nicht viel zu erwarten. Außerdem könnte aufgrund der in Deutschland verfassungsrechtlich festgeschriebenen Kulturhoheit der Bundesländer die deutsche Zentralregierung auch gar nicht so einfach Gelder für kulturelle Angelegenheiten bereitstellen. Deshalb gibt es seit kurzem die Bundeskulturstiftung mit Sitz in Halle. Seit sie ins Leben gerufen wurde, gibt es Streit mit den Kulturministern der Länder, die bereits vor 15 Jahren eine eigene deutschlandweit agierende "Kulturstiftung der Länder" gegründet haben. Beide sollen vereinigt werden, um so eine finanziell starke Institution mit einem Volumen von über 46 Millionen Euro zu schaffen. Es wäre dann die größte Kulturstiftung Europas. Doch vorerst sind diese Bemühungen gescheitert, es muss neu verhandelt werden.

Während sich in Deutschlands Hauptstadt Bund und Länder über ihre Stiftungen streiten, überlegen sich europaweit öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen, ob und wie sie noch weiter sparen können oder aber ob sie die sinkenden öffentlichen Zuschüsse durch neu zu gewinnende private Gelder ausgleichen könnten. Denn die Eintrittspreise kann man nicht bis ins Unerschwingliche erhöhen, sonst bleibt das Publikum aus.

Edler Standort Mailand

Die Mailänder Scala
Die Mailänder ScalaBild: AP

Die berühmte Mailander Scala wird seit geraumer Zeit privatwirtschaftlich betrieben, doch in Wahrheit ist das nur eine Änderung der Rechtsform, die Personalkosten für das Opernhaus trägt weiterhin der Staat. Seit 1998 kann man so immerhin Sponsorengelder einwerben ohne in Konflikt mit dem öffentlichen Haushaltsrecht zu kommen. Und so zusätzlich eingenommene Gelder eventuell wieder abführen zu müssen. Ein wichtiger, kostensparender Nebeneffekt in Mailand war es - und wäre es auch andernorts - , die im Laufe der Jahre ins Groteske gesteigerte, völlig theaterfeindliche Regelungswut der Gewerkschaften zu brechen. Das Ausweichquartier der Mailänder Scala, die zurzeit wegen Renovierung des Stammhauses in einem Neubau im Norden Mailands spielt, wurde vollständig vom Reifenhersteller Pirelli finanziert.

Doch darf man nicht vergessen, dass die Mailänder Scala selbst schon lange ein weltweit renommiertes Markenprodukt darstellt. Mit einer solchen Institution schmücken sich auch große Firmen gerne. Gesponsert wird immer "Exzellenz", damit von deren Glanz etwas auf die Marketingstrategen zurückstrahlt.

Spenden eintreiben kostet Geld

Royal Opera House in Covent Garden
The Royal Opera House in Covent Garden, LondonBild: AP

Der Brite Peter Jonas, Intendant von Europas größtem Musiktheaterbetrieb, der Bayerischen Staatsoper in München, betonte in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung", dass entgegen der Meinung vieler Finanzpolitiker das deutsche System der öffentlichen Kulturfinanzierung im Ausland sehr bewundert werde. Und zwar weil es ziemlich kosteneffektiv sei. Bei der Londoner Covent Garden Opera arbeiten dagegen alllein 27 fest angestellte Leute für das Fund-Raising Department und 54 für die Marketing Abteilung. Das sei viel mehr als für die gesamte Verwaltung der Bayerischen Staatsoper. Und trotzdem muss auch in England weiterhin der Staat die meisten Kosten des Opernbetriebes finanzieren. Selbst im reichen London finden sich nicht genug Sponsoren.

Dass private Gelder die staatlichen Subventionen ersetzten könnten, ist für den geschäftsführenden Direktor des deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin, eine Illussion. Schon längst arbeiten alle öffentlichen Theater auch in Deutschland mit Sponsoren und Stiftergeldern, aber die Zuschüsse aus privater Hand seien vergleichsweise bescheiden. Nach Berechnungen des Deutschen Bühnenvereins gibt die öffentliche Hand in Deutschland circa acht Milliarden Euro für kulturelle Angelegenheiten aus, zwei Milliarden Euro davon für Theater, Opern und klassische Orchester. Die Kulturausgaben der deutschen Wirtschaft betragen pro Jahr zwischen 250 und 300 Millionen Euro. "Und die deutsche Wirtschaft sagt selbst, dass dies nicht mehr steigerungsfähig sei", sagte Bollwin im Gespräch mit DW-WORLD.

Doch Bollwin macht vor allem eine andere Rechnung auf: "Eine Billion Euro, also tausend Milliarden Euro geben alle öffentlichen Haushalte in Deutschland aus, gerade mal zwei Milliarden davon für Theater und Orchester", sagt er, "wo sind da große Haushaltsentlastungen zu erwarten?"