1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kyoto ist noch nicht tot

Jens Thurau, zzt. Mailand13. Dezember 2003

Mit zähen Verhandlungen mussten sich die Politiker beim UN-Klimagipfel nicht plagen. Russland hätte bloß Ja zum Kyoto-Protokoll sagen müssen - tat es aber nicht. Die EU-Staaten halten tapfer an der Vereinbarung fest.

https://p.dw.com/p/4RYg
Bundes-Umweltminister Trittin beim Klimagipfel in MailandBild: AP

So ist es immer auf Klimakonferenzen, auch auf anderen Treffen der Vereinten Nationen: Tagelang sind schwierige Details von hohen Beamten erörtert worden. In den letzten Tagen kommen dann die Politiker, um die Ergebnisse medienwirksam unters Volk zu bringen. Nur ab und an mal müssen die hohen Herrn und wenigen Damen den Verhandlungen zum Durchbruch verhelfen, wenn die vorher festgefahren waren. In Mailand war das nicht der Fall. Denn dort gab es von vornherein nicht so viel zu verhandeln. Kleine Lücken seien geschlossen worden, hieß es. Und die Zukunft des Kyoto-Protokolls ist weiter offen.

Das meiste ist schon ausgehandelt

Der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin formulierte es nach seiner Ankunft so: "Von Mailand soll die Botschaft ausgehen, dass die Staatengemeinschaft sich der Herausforderung des Klimawandels stellt." Da sollte man doch denken, dass die Staatengemeinschaft das schon seit Jahren tut - spätestens seit der Konferenz von Kyoto, als sie beschloss, den Treibhausgasausstoß tatsächlich zu begrenzen. Vor fast genau sechs Jahren wurde dieses Abkommen geschlossen: am 11. Dezember 1997. Trittins Vorgängerin Angela Merkel, heute CDU-Chefin, sprach damals von einem Meilenstein der internationalen Umweltpolitik.

Die Euphorie von damals ist verflogen. Trittin sieht die Umweltpolitik am Scheideweg: Auf der einen Seite das Kyoto-Protokoll mit völkerrechtlich verbindlichen Regeln, auf der anderen Seite unverbindliche Absprachen. Doch auch das Kyoto-Protokoll ist an zahlreichen Stellen zerpflückt und verwässert worden in den Jahren nach seiner Verkündung. Und in Kraft getreten ist es eh noch nicht. Das ist auch der Grund, warum das eigentlich extrem wichtige Thema des globalen Klimaschutzes so schwer zu vermitteln ist. Die Ursprungsidee - alle Staaten, vor allem die reichen, begrenzen ihren Ausstoß an Treibhausgasen - war ja noch einleuchtend. Aber seitdem können Wälder angerechnet werden, wurden unwilligen Staaten Ausnahmeregeln gewährt.

Kyoto für Mathematiker

Auf dem heutigen Stand ist das Kyoto-Protokoll vor allem ein kompliziertes mathematisches Gebilde, dessen Hauptsinn für viele Staaten darin liegt, sich von tatsächlichen Bemühungen freizurechnen. Und seitdem die USA im Jahr 2000 die Klimaverhandlungen verließen, ist das Kyoto-Protokoll vor allem auch ein Politikum. Eine Nagelprobe, ob es der Staatengemeinschaft gelingt, einen multilateralen Vertrag hinzukriegen - ohne die größte Industriemacht der Welt.

Der Aufmerksamkeit für die Konferenzen hat das gut getan, dem Klimaschutz nicht immer. Die Russen etwa verfolgen auf den Konferenzen in erster Linie nationale, wirtschaftliche Interessen. Sie liebäugeln mit dem Beitritt zur WTO, sie hätten nichts dagegen, sich ihre Unterschrift teuer abkaufen zulassen. Und sie wissen, dass die Gemeinschaft der willigen Staaten auf ihren Segen angewiesen ist, seit die USA nicht mehr dabei sind.

Alles hängt an Russland

UNFCCC COP9 Klimakonferenz in Mailand 2003
Das Logo der Mailänder Klimakonferenz

Die Entwicklung ist seit Kyoto nicht gut gelaufen für den internationalen Klimaschutz. In Mailand gab es keine Abschlussdeklaration wie sonst üblich. Neu ist bloß, dass die Staaten sich Aufforstungsprojekte in Entwicklungsländern positiv anrechnen lassen können - wenn dagegen abgeholzt wird oder ein Waldbrand wütet, gehen Emissionsgutschriften verloren.

Ansonsten ist der Vertrag schon weitgehend ausverhandelt gewesen - die Russen hätten Gelegenheit gehabt, einfach Ja zu sagen, wie sie es immer wieder versprechen. Nun steht die Ratifizierung noch immer aus. Doch die EU-Minister kündigen schon an, 2005 werde der Handel mit Emissionsrechten kommen. Sie wollen Russland drängen, dem Protokoll doch noch beizutreten. Mit Ach und Krach würde dann der Zug, der 1997 in Kyoto mit frischem Schwung startete, seine erste Station erreicht haben. Selbst dann hätte sich wenig genug getan für den Schutz des Weltklimas - aber eine Alternative zum Kyoto-Protokoll gibt es nicht.