1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mit dem Modem gegen das Chaos

Peter Hille18. November 2015

Nachrichten aus Libyen? Gibt es fast keine, schließlich ist es lebensgefährlich, aus dem Bürgerkriegsland zu berichten. Die erste unabhängige, überregionale Nachrichtenagentur des Landes will das ändern.

https://p.dw.com/p/1H84A
Libyen Satellitenmodem Libyan Cloud News Agency (Photo: DW/ Martin belz)
Bild: DW/M. Belz

Es gibt zwei rivalisierende Regierungen, schwer bewaffnete Milizen kämpfen seit Jahren um die Macht, und die Terroristen des "Islamischen Staates" mischen ebenfalls mit: Libyen ist ein Land, das im Chaos versunken ist. Dort ein normales Leben zu führen - unmöglich. Unabhängige Nachrichten aus dem Land zu erhalten - ausgeschlossen. Oder doch nicht?

Die Libyan Cloud News Agency will ein erster Schritt sein hin zu einer besseren Nachrichtenversorgung aus und über Libyen. "Libyer brauchen Informationen aus Libyen und von Libyern. Das ist für einen demokratischen Neubeginn unerlässlich", sagt Tarek Al Huni, Chefredakteur der neuen Nachrichtenagentur. "Momentan beziehen die meisten Libyer Nachrichten aus den Sozialen Medien. Sie haben das Vertrauen in nationale und internationale Medien nach der Revolution im Land verloren. Die Sozialen Medien vertiefen die Kluft zwischen den verschiedenen Gruppierungen im Land jedoch nur weiter."

Zensur, Checkpoints, Kämpfe

Frieden und Stabilität scheinen zurzeit unerreichbar. Die Gespräche zwischen der international anerkannten Regierung im ostlibyschen Tobruk und der islamistischen Gegenregierung in Tripolis stocken. Neuer Sondervermittler der Vereinten Nationen ist der Deutsche Martin Kobler. Sein Vorgänger, der Spanier Bernardino León, konnte die rivalisierenden Gruppen zwar an einen Tisch bringen, einen Friedensvertrag lehnte Tobruk jedoch ab.

Libyen Kämpfe gegen IS in Sirke (Photo: Hamza Turkia)
Dutzende Armeen und Milizen sind am libyschen Bürgerkrieg beteiligtBild: picture-alliance/Photoshot/Hamza Turkia

Wer sein Leben riskiert und im Bürgerkriegsland Libyen als Journalist arbeitet, der unterliegt strikter Zensur. Reisen sind angesichts von Checkpoints und Kämpfen fast unmöglich. Regierung Nummer eins kontrolliert einen Teil des Landes, Regierung Nummer zwei einen anderen; dazwischen tummeln sich Banden, Bürgerwehren, die IS-Miliz und Tuareg-Kämpfer.

"Stabilität durch Struktur"

Auch ausländische Medien haben ihre Korrespondenten angesichts dieser Gefahrenlage schon lange abgezogen. Nur selten erfährt die Bevölkerung deshalb etwas aus anderen Landesteilen. "Hauptaufgabe der Libyan Cloud News Agency wird daher sein, Informationen bereitzustellen und aktuell zu halten", sagt Chefredakteur Tarek Al Huni. "Ausgebildete Korrespondenten werden alle Landesteile abdecken."

Tarek al Huni (Martin Belz/ DW)
Tarek Al Huni hofft auf einen demokratischen Neubeginn in LibyenBild: DW/M. Belz

Am 19. November nehmen sie ihre Arbeit auf. Geschult wurden die mehr als 100 Reporter und Redakteure von der DW-Akademie, Deutschlands führender Organisation für internationale Medienentwicklung. Sie hat die Libyan Cloud News Agency in Kooperation mit der EU-Kommission aufgebaut. "Stabilität durch Struktur" nennt die EU ihren entsprechenden Fördertopf.

Online ohne Internet

Christian Gramsch, Direktor der DW-Akademie, beschreibt das Ziel des Vorhabens. "Die Libyan Cloud News Agency ist sehr wichtig, um wieder ein differenziertes Bild von Libyen zu erhalten. Vor allem wird sie dazu beitragen, dass die libysche Bevölkerung wieder verlässliche Informationen über ihr eigenes Land erhält", so Gramsch.

Dass das alles andere als leicht ist, ist den Beteiligten bewusst. "Wir bauen eine Nachrichtenagentur in einem Land auf, das vom Krieg zerrissen ist", sagt Martin Hilbert, Landeskoordinator der DW-Akademie für Libyen. Zudem gebe es "praktisch kein Internet" im Land. Diese Herausforderung versucht die Libyan Cloud News Agency mit Hilfe von Satellitentechnik zu meistern. Via Satellitenmodem laden die Korrespondenten ihre Berichte auf einen Server, die sogenannte Cloud.

Faktencheck aus der Ferne

Anschließend werden die Berichte von einem Redakteursteam geprüft, das aus Sicherheitsgründen kein festes Büro hat, sondern von überall her auf den Server zugreifen kann. Erst nach einem weiteren Faktencheck durch Chefredakteur Al Huni sollen die Nachrichten an Kunden in aller Welt verbreitet werden.

LCNA Libyan Cloud News Agency (Photo DW)
Bei der Arbeit: eine Korrespondentin der Libyan Cloud News AgencyBild: DW Akademie

Um die Gefahr für die Korrespondenten möglichst gering zu halten, sollen sie möglichst nur aus ihren jeweiligen Heimatorten berichten. "Außerdem gibt es für jede Korrespondentengruppe einen Koordinator aus derselben oder nächstliegenden Region, der bei Schwierigkeiten und Bedrohungen vermittelt", so Al Huni. Auch um das Geld muss sich der Chefredakteur Gedanken machen. Nach der Anschubfinanzierung aus dem Ausland hofft Al Huni darauf, möglichst bald mehr Abonnenten aus Libyen selbst zu gewinnen. Nur so könnte aus der Libyan Cloud News Agency trotz aller Widrigkeiten eine Erfolgsgeschichte werden.