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Lord Robertson tritt ab

Bernd Riegert29. Dezember 2003

Es waren ereignisreiche vier Jahre für NATO-Generalsekretär Lord George Robertson: Am 31.12. endet seine Amtszeit. Im Gespräch mit DW-Korrespondent Bernd Riegert zieht Robertson Bilanz: "Ich bin nicht treudoof."

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Abschied ohne Tränen:<br>NATO-Generalsekretär RobertsonBild: AP


"Ich hatte vier außergewöhnliche Jahre als Generalsekretär. Wir stellten den Bündnisfall fest und brachten die NATO in den Krieg gegen den Terror ein. Wir brachen mit den Stereotypen des Kalten Krieges und gestalteten die umfassendste Neu-Ausrichtung der NATO. Schließlich setzten wir die NATO außerhalb des Bündnis-Gebiets ein, anstatt sie überflüssig zu machen."

So fasste der scheidende NATO-Generalsekretär seine Amtszeit zusammen, die er - für manche überraschend - am 31. Dezember 2003 beendet. George Robertson, den die britische Königin für seine Verdienste als britischer Verteidigungsminister kurz vor seinem Wechsel von London nach Brüssel im August 1999 in den Adelsstand - zum Lord - erhob, hätte sicher noch länger bleiben können. Schließlich hatte er die Rückendeckung der führenden NATO-Macht USA.

Doch der Labour-Politiker Lord Robertson, der in der Gewerkschaftsbewegung in Schottland groß geworden war, zieht einen Posten als Teilzeit-Vizepräsident bei der britischen Telefon-Gesellschaft "Cable and Wireless" vor. Dann, sagt der 57-Jährige, habe er endlich mehr Zeit zum Golf spielen und Tee trinken.

Stressfaktor Irak-Krieg

Vielleicht hat ihn auch der Streit um den Irak-Krieg, der die NATO gespalten hat wie keine Krise zuvor, amtsmüde werden lassen. Robertson erinnert sich an jene Wochen im Frühjahr 2003:

"Stressig ist eine Untertreibung - es war eine harte Zeit. Die meiste Zeit verbrachte ich in Sitzungen oder am Telefon, aber ich bin schon lange im politischen Geschäft. Ich war vier Jahre Führer der schottischen Labour-Partei. Nach vier Jahren in der schottischen Politik ist alles andere reines Zuckerschlecken."

Der bullig wirkende Sohn eines Polizeibeamten von der Hebriden-Insel Isley glaubt, dass er die NATO wieder einigermaßen zusammengekittet hat. Zunächst hatten sich Deutschland, Frankreich und Belgien zum Ärger der USA geweigert, der Türkei NATO-Beistand gegen mögliche irakische Angriffe zuzusagen. Eine Zerbrechen der Allianz war nicht ausgeschlossen:

"Es sah so aus, als wären wir diesem Punkte nahe gewesen, aber zurückblickend glaube ich nicht, dass wir es wirklich waren. Riskante Spiele sind nichts Neues in internationalen Beziehungen. Einige Leute treiben es auf die Spitze, um sich durchzusetzen."

"Ich bin Optimist, aber nicht treudoof"

Lord Robertson bereitete die Aufnahme sieben osteuropäischer Staaten in die NATO im Juni 2004 vor und reparierte die Beziehungen zu Russland, die nach dem Kosovo-Krieg belastet waren. Er setzte die Mazedonien-Mission durch, um auf dem Balkan einen neuen Bürgerkrieg zu verhindern. Unter seiner Führung fand die NATO weit außerhalb ihres Bündnisgebietes bei der Stabilisierung Afghanistans eine neue Rolle.

"In dem Moment, als die Terroristen die Zwillingstürme und das Pentagon angriffen, veränderte sich die Welt und die NATO musste sich auch verändern. Der Begriff Relevanz ist dafür abgenutzt. Die NATO muss nutzbringend sein. Sie musste sich neu erfinden, weil es neue Bedrohungen gibt."

Lord Robertson forderte Deutschland auf, die Wehrpflicht abzuschaffen und eine hoch mobile Berufsarmee für weltweite Einsätze auszurüsten. Wir brauchen keine Panzerarmeen mehr, sondern schnelle Eingreiftruppen, so sein Credo. Der Umbau der europäischen Armeen hin zu einer NATO-Reaktionstruppe wird noch Jahre dauern. Robertsons Motto für die NATO-Jahre war: "Ich bin Optimist, aber ich bin nicht treudoof."