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Massaker an Schiiten in Nigeria?

Birgit Morgenrath (afp, epd)14. Dezember 2015

Drei Tage nach den gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Soldaten und schiitischen Gläubigen im Norden Nigerias sind die Ursachen weiterhin ungeklärt. Armee und Muslime beschuldigen sich gegenseitig.

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Nigeria Schiitische Muslime in Dakasoye (Foto: AFP)
Schiitische Muslime prozessieren in Dakasoye, Nordnigeria am 27. November 2015Bild: A. Abubakar/AFP/Getty Images

In der nordnigerianischen Stadt Zaria schaffen Soldaten am Montag Leichen weg, es sind Anhänger der IMN, der "Islamischen Bewegung von Nigeria". Laut Armeechef Tukur Buratai hatten Soldaten am Samstag das Feuer auf die Schiiten eröffnet, weil diese Barrikaden gebaut und damit die Straße in der Nähe ihres religiösen Zentrums blockiert hätten. Dort hatten sich Hunderte Schiiten für eine Zeremonie versammelt. Nigerianische Menschenrechtler sprechen von mehr als 100 Toten und werfen der Armee vor, die friedlich demonstrierenden Muslime willkürlich getötet zu haben. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Zahlen nicht. Das Militär behauptet, Gläubige hätten den Konvoi des Armeechefs angegriffen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Am Montag besuchte der Gouverneur des betroffenen Bundesstaates Kaduna, Nasir El-Rufai, die Stadt Zaria. Sein Sprecher sagte, der Gouverneur habe zu Ruhe und Frieden aufgerufen. Die Lage habe sich entspannt und die Sicherheit sei wieder hergestellt. Der Sprecher von Armeechef Buratai beschrieb die Ereignisse als "sehr unglücklich", beschuldigte aber die "Sekte", das Gesetz in die eigenen Hände genommen zu haben. Straßenblockaden könnten nicht geduldet werden. Die Ereignisse würden jetzt durch die Polizei untersucht.

Nigeria Führungskonferenz Armee (Foto: DW)
Weist alle Vorwürfe zurück: Armeechef Buratai (links)Bild: DW

Ibrahim Musa, der Sprecher der IMN-Bewegung, wies im Gespräch mit DW-Korrespondent Ibrahima Yakubu alle Vorwürfe zurück. "Dutzende unserer Mitglieder wurden getötet, als Soldaten das Feuer auf sie eröffneten", so Musa. Hunderte weitere seien verletzt und verhaftet worden. "Was sie uns angetan haben, wird nicht ungestraft bleiben", sagte Musa. "Wir glauben, Allah ist bei uns und er wird uns rächen." Besonders besorgniserregend sei, dass sie nicht wüssten, wo sich ihr Anführer Sheikh Zakzaky aufhalte. Ibrahim Musa bestätigte, dass Frau und Sohn des Scheichs und der bisherige Sprecher der IMN bei einem weiteren Überfall von Soldaten auf das Haus Zakzakys getötet worden seien.

Die Gewalt in Zaria sei ein schlechtes Zeichen für die Bemühungen des nigerianischen Präsidenten Buhari, das Verhältnis zwischen Armee und Zivilbevölkerung zu verbessern, erklärt der Sicherheitsexperte Kabiru Adamu aus Abuja. "Es ist unter keinen Umständen akzeptabel, dass ein unbewaffneter Zivilist von einem bewaffneten Staatsdiener getötet wird", so Adamu gegenüber der DW. Je stärker der Staat gewaltsam gegen seine Bürger vorgehe, umso wahrscheinlicher sei es, dass diese sich ihrerseits bewaffneten. Das habe man bei der Entstehung von der Terrormiliz Boko Haram gesehen, argumentiert der Experte. Er fordert, dass die Ereignisse genau untersucht und die Verantwortlichen - egal von welcher Seite - zur Rechenschaft gezogen werden.

Iran fordert Schutz der nigerianischen Schiiten

Imam Muhammad Nuraini Ashafa vom interreligiösen Mediationszentrum in Kaduna appellierte an beide Seiten, auf Gewalt zu verzichten. Politische und religiöse Führer müssten politisch angespannte Situationen frühzeitig stoppen und nicht erst eingreifen "wenn alles aus dem Ruder gelaufen ist", so Ashafa im Interview mit der DW. Den Staatspräsidenten und die Gouverneure forderte der Imam auf, sich jedweder Hassreden zu enthalten, weil genau diese Gewalt erst hervor riefen.

Nigeria 2014 Selbstmordanschlag trauernde Schiiten (Foto: AFP)
Schiiten trauern um die Opfer eines Terroranschlags in Potiskum, Nordnigeria im November 2014Bild: Getty Images/AFP

Auch der Iran, der sich als Schutzmacht der schiitischen Minderheit in Nigeria versteht, meldete sich zu Wort. Die iranische Nachrichtenagentur IRNA zitierte den Sprecher des iranischen Außenministeriums, Hossein Jaber-Ansari. Er forderte die nigerianische Regierung auf, religiöse Persönlichkeiten und Stätten zu respektieren.

Schon häufiger kam es in der Vergangenheit zu Auseinandersetzungen zwischen der pro-iranischen IMN-Bewegung und Sicherheitskräften und auch zu Anschlägen auf Prozessionen der Gläubigen. Mehrere Zehntausend Schiiten leben laut Schätzungen in Nigeria, so viele wie nirgendwo sonst in Westafrika. Die meisten Muslime in der Region sind Sunniten.

Mitarbeit: Ibrahima Yakubu, Uwaisu Idris