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Merkel ermahnt die NRW-SPD zur Kooperation

13. Juni 2010

Die SPD bleibt in Nordrhein-Westfalen stur: keine Ampel, keine große Koalition, aber auch keine Neuwahlen. "Unverantwortlich", findet Kanzlerin Merkel. Aber auch Grüne und Linke sind enttäuscht über den Kurs der NRW-SPD.

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Angela Merkel (Foto: AP)
Merkel ist sauer über die politische Lage in NRWBild: AP

Bundeskanzlerin Merkel hat den Verzicht der SPD auf eine Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen scharf kritisiert. "Die Verweigerungshaltung von Frau Kraft ist unverantwortlich. Gerade in den schwierigen Zeiten, in denen sich das Land befindet", sagte Angela Merkel der Zeitung "Bild am Sonntag" (13.06.2010). Die SPD solle die Realitäten anerkennen und an den Verhandlungstisch zurückkehren. Die SPD trage Verantwortung für Nordrhein-Westfalen.

Kraft bleibt bei ihrer Entscheidung

NRW-SPD-Vorsitzende, Hannelore Kraft (Foto: picture-alliance/dpa)
Will Entscheidung nicht ändern: Hannelore KraftBild: picture-alliance/dpa

Nach dem Scheitern der Bemühungen um eine Ampelkoalition hatte die SPD am Freitag nach mehreren Gesprächen auch einer großen Koalition eine Absage erteilt. Vorerst ist daher keine Regierungsbildung in NRW in Sicht. Die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft lehnte am Wochenende auch eine vorgezogene Neuwahl ab. Sie will jetzt aus dem Landtag heraus wechselnde Mehrheiten für Gesetzesänderungen suchen. Beispielsweise möchte sie mit der Landtagsmehrheit von SPD, Grünen und Linkspartei die Abschaffung der Studiengebühren und weiterer Projekte in NRW durchzusetzen.

Bestätigung für ihren Kurs fand Kraft am Wochenende auf vier Regionalkonferenzen in Bielefeld, Dortmund, Köln und Oberhausen. Am Montag soll nun der Parteirat der NRW-SPD über das weitere Vorgehen beraten. Auch vom SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel gab es Lob für ihr Vorgehen. Kraft sei konsequent geblieben und habe auf ein Regierungsamt verzichtet, weil die Inhalte nicht stimmten. Die NRW-SPD habe sich für Glaubwürdigkeit entschieden.

Rüttgers macht gute Miene zum bösen Spiel

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (Foto: picture-alliance/dpa)
Auch für Rüttgers ist die politische Lage in NRW unerfreulichBild: picture-alliance/dpa

Der weiterhin geschäftsführende NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers bekräftigte hingegen in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" noch einmal die Bereitschaft der CDU für die Bildung einer stabilen Regierung. Er werde alles verfassungsrechtlich Mögliche tun, "damit aus der verantwortungslosen Haltung der SPD kein Schaden für das Land entsteht".

Doch gerade für Rüttgers ist Krafts Entscheidung eine Nervenprobe: Er muss künftig ohne eigene Mehrheit auskommen. Das rot-grüne Lager könnte zentrale Reformen seiner Regierungszeit zurückdrehen und den neuen Haushalt kann er ohne Zustimmung auch nicht verabschieden. Trotzdem kann Rüttgers nach der Interpretation der Landesregierung noch sehr lange geschäftsführend die Geschicke des Landes leiten: Artikel 82 der NRW-Verfassung erlaube es, den aktuellen Haushalt einfach für das kommende Jahr fortzuschreiben, wenn kein genehmigtes Zahlenwerk vorliegt. Seine Juristen sind sich außerdem weitgehend einig, dass die geschäftsführende NRW-Landesregierung im Bundesrat trotz fehlender Parlamentsmehrheit weiter für Schwarz-Gelb abstimmen kann.

Kritik von allen Seiten

Jürgen Trittin (Die Grünen) (Foto: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Trittin fordert Minderheitenregierung von KraftBild: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grüne und Linke wiederum forderten Hannelore Kraft zu einer Minderheitsregierung auf. Sie solle sich auch ohne reguläre Koalitionsbildung zur Regierungschefin wählen lassen und so die Bundesratsmehrheit von Schwarz-Gelb verhindern. Laut NRW-Verfassung könnte sie auch mit einfacher Stimmenmehrheit zur Ministerpräsidentin gewählt werden, wenn es im vierten Wahlgang zu einer Stichwahl mit einem Gegenkandidaten kommt. Kraft bräuchte so nicht einmal die Stimmen der Linken. Rot-Grün verfügt im neuen Landtag über 90 Sitze, Schwarz-Gelb über 80, die Linke stellt elf Abgeordnete. In diesem Fall würde auch die Mehrheit von Union und FDP im Bundesrat kippen, die für viele Gesetzesvorhaben wichtig ist. Kraft lehnte diese Pläne aber erneut ab.

Jürgen Trittin, der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, hat dafür kein Verständnis. Die SPD komme so dem Auftrag der Wähler nicht nach, kritisierte er. SPD und Grüne seien gewählt worden, um Rüttgers abzulösen. "Es ist nicht zu verstehen, dass die SPD nicht die Kraft hat, selbst eine Minderheitsregierung zu bilden, aber nichts dabei findet, eine unter Rüttgers zu tolerieren." Klaus Ernst, der Vorsitzende der Linkspartei, warf Hannelore Kraft sogar fehlenden Machtinstinkt vor. "Die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit steht so lange, wie Rüttgers geschäftsführend im Amt ist."

Autor: Nicole Scherschun (dpa, afp, ap)

Redaktion: Dirk Eckert