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Merkel zu Gast bei Freunden

Christoph Strack12. Dezember 2014

Die CSU pocht bei ihrem Parteitag auf "Fördern und Fordern" bei der Integration. Unter dem Eindruck eines Brandanschlages bleiben laute, scharfe Worte bei dem Thema aus.

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Angela Merkel und Horst Seehofer auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg (Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/C. Stache

Manchmal kann ein Wort lange dauern, ein Grußwort auch 43 Minuten. Aber Bundeskanzlerin Angela Merkel, die CDU-Vorsitzende, fühlte sich erkennbar wohl bei ihrer Stippvisite des CSU-Parteitages in Nürnberg. Und die knapp 500 Delegierten feierten die Chefin der Schwesterpartei schon vor ihrer Rede mit stehendem Applaus. Das sei, scherzte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, bei früheren Besuchen der CDU-Spitze nicht immer so gewesen. Dass die Unionsparteien so gut "dastehen, verdanken wir ganz wesentlich Dir", hofierte er die Kollegin.

Merkel dankte ihrem bayerischen Publikum dafür, dass Bayern so vieles zum Prozess des Zusammenwachsens von West- und Ostdeutschland beigetragen habe. Hunderttausende Ostdeutsche hätten in Bayern Arbeit, Heimat und Zukunft gefunden, auch Menschen aus ihrem eigenen Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern. Und wie drei Tage zuvor bei ihrer Grundsatzrede vor dem CDU-Bundesparteitag in Köln, warb sie nachdrücklich für einen offensiven Umgang mit der Digitalisierung. Wenn Deutschland weiter wirtschaftlich stark sein und Wertschöpfung wolle, müsse es dich dabei bewegen. Dafür fiel manche Äußerung zum Lebensschutz in Nürnberg deutlicher aus als in Köln.

Bei einem sehr aktuellen Bezug wurde Merkel warnend, fast laut. "Es ist unerträglich, wenn Asylbewerberheime geschändet werden, wenn Menschen versuchen, radikale Sprüche zu machen", sagte sie. In der Nacht vor dem CSU-Treffen hatten Unbekannte im fränkischen Ort Vorra, nur 30 Kilometer von Nürnberg entfernt, in drei renovierten und für Flüchtlinge bezugsfertigen Gebäuden Feuer gelegt - und Hakenkreuze hinterlassen. Ähnlich äußerten sich vor Beginn des Parteitages Seehofer und sein Innenminister Joachim Hermann (CSU), der auch Vorra besuchte.

Der Schriftzug Kein Asylant in Vorra steht in Vorra an einer Hauswand (Foto: ToMa/dpa)
Hakenkreuze und fremdenfeindliche Parolen an einer Hauswand in VorraBild: picture-alliance/dpa/ToMa

"Im täglichen Leben deutsch"

Der Anschlag überschattete eine mit Spannung erwartete Debatte des Parteitages. Für Häme und Spott aus allen politischen Lagern, sogar von einzelnen Christsozialen, hatte im Vorfeld der Entwurf eines Leitantrages gesorgt. Er wollte Zuwanderer verpflichten, auch in den eigenen vier Wänden der Familie stets Deutsch zu sprechen. Der Satz wurde entschärft. Seehofer, in den Tagen vor dem Parteitag wegen einer schweren Erkältung abgetaucht, meinte nun: "Wenn ein Satz anders aufgefasst wird, als er objektiv gemeint war, dann ändert man den Satz. Das ist eine relativ einfache Sache."

Nun heißt es "Wer dauerhaft hier leben will, soll motiviert werden, im täglichen Leben Deutsch zu sprechen." Dieser ohne große Debatte einstimmig verabschiedete Leitantrag "Bildung - Migration - Integration" betont vielfältige Wege der Integration, drängt aber auch auf die Durchsetzung der Ausreise abgelehnter Asylbewerber, warnt vor "Sozialmissbrauch" und "Sozialtourismus", fordert die Abschiebung "gefährlicher Aktivisten" bei religiösem Extremismus. Wohin Extremisten mit deutschem Pass abgeschoben werden sollen, bleibt offen. Übrigens: die AfD, "Alternative für Deutschland", eine neue politische Gruppierung mit manch rechtspopulistischer Tendenz, wurde in Nürnberg nie groß genannt.

Lob auch aus Brüssel

Für gut eine Stunde kam auch der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, in die Nürnberger Messe. Ihm schien es zu gefallen, mal nicht über Luxemburger Steuerskandale oder seine eigene Rolle dabei sprechen zu müssen. Juncker rief dazu auf, Europa nicht "gegen die Nationalstaaten zu errichten". Und er kündigte an, unter ihm solle die Kommission effizienter und bescheidener werden. Was Länder und Kommunen besser leisten könnten als Brüssel, das sollten sie auch leisten. Dieser Satz, die Erinnerung an das klassische Subsidiaritätsprinzip, hörten die Delegierten so gerne, dass sie Junckers nachgeschobene Beispiele mal einfach stehen ließen: Duschköpfe, Toilettenspülungen, Staubsaugerbeutel - das könne auch die bayerische Landesregierung regeln.

Aber die Betonung des Regionalen gefiel den Christsozialen. Seit Herbst 2013 regieren sie mit absoluter Mehrheit in Bayern, das Land mit seinen gut 12,5 Millionen Einwohnern ist kurz vor der Vollbeschäftigung. Und will, so Finanzminister Markus Söder, bis 2030 schuldenfrei sein. So gab es für Merkel und "die in Berlin" doch konkrete Themen. Mehr Forderung als Bitte: keinerlei Steuererhöhung mehr, eine dauerhafte, nicht nur phasenweise Entlastung bei der sogenannten kalten Progression, bei der die Steuer Arbeitnehmern steigende Einkommen gleich wieder wegnimmt.

Mitarbeiter der Qualitaetskontrolle inspizieren im Werk des Automobilherstellers Audi in Ingolstadt einen Wagen (Foto: Lukas Barth/dapd)
Audi-Werk in Ingolstadt: Die Wirtschaft in Bayern brummt - davon profitiert auch der BundBild: dapd

Und: die bayerische Landesregierung will - ein Mammutprojekt - den "Länderfinanzausgleich" neu regeln. Er sorgt derzeit dafür, dass finanzstarke Bundesländer schwächere Kollegen unterstützen. Vor Jahrzehnte bekam Bayern selbst Geld aus dieser Kasse. Heute zahlt München Jahr für Jahr fünf Milliarden Euro, zumeist an sozialdemokratisch geführte Bundesländer, wie Söder beklagte. Die leisteten sich damit Leistungen wie kostenfreie Kinderbetreuung, die sich selbst Bayern nicht gönne.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kündigte an, die CSU wolle die Jahre bis 2017 nutzen, um voranzukommen und die "Bayern-sponsert-Deutschland-Party" zu beenden. Denn dann stünden vier Wahljahre - Bund, Land, Europa, Kommunen - an. Merkel kam zwar erst nach Scheuers Rede. Aber sie nahm das Ansinnen auf. Ja, auch sie wolle die Länder-Finanz-Beziehungen neu ordnen. Schließlich will sie gewiss noch einige Male bei CSU-Parteitagen gefeiert werden.