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Merkels Botschaft ist hart, aber wenigstens ehrlich

Uta Thofern9. September 2005

Beim TV-Duell kam Bundeskanzler Gerhard Schröder besser an als CDU-Kandidatin Angela Merkel – und laut Umfragen hätte Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr. Hat Merkel den Regierungswechsel verpatzt? Uta Thofern kommentiert.

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Die Frau meint es ernst. Das zumindest dürfte für alle

Fernsehzuschauer nach dem Duell klar gewesen sein, und vielleicht spielt diese Erkenntnis in den Meinungsumfragen eine viel größere Rolle als Merkels vermeintlich mangelnde Souveränität im Umgang mit Medien. Angela Merkel flirtet nicht mit der Kamera - das kann sie gar nicht -, sie spielt nicht mit den Medien, sie macht keine lockeren Sprüche, sie ignoriert alle vorhandenen Möglichkeiten der Manipulation. Das ist nicht unsouverän, das ist ehrlich. Aber die Wahrheit ist, wie so oft, unangenehm.

Mit der CDU wird nichts einfacher

Denn was Merkel zu sagen hatte, war alles andere als eine frohe Botschaft. Unbeirrt von Schröders Angriffen und Zwischenrufen verkündete sie beharrlich, was sie seit Monaten auf Pressekonferenzen und Wahlkampfveranstaltungen sagt, was die meisten Fernsehzuschauer aber zum ersten Mal in voller Länge und Deutlichkeit vernahmen: Mit einer CDU-Regierung wird nichts einfacher, im Gegenteil.

Eine höhere Mehrwertsteuer, weniger Kündigungsschutz, harte Sparmaßnahmen zur Sanierung des Haushalts, mehr Eigenvorsorge für die Rente, ein kompletter Systemwechsel in der Krankenversicherung und keine Steuervergünstigungen mehr - bei einer solchen Aufzählung fangen nicht nur Berufspendler an, ihre Kilometerpauschale in Gedanken schon mal vom Einkommen abzuziehen, das treibt auch so manchem Besserverdiener den Schweiß auf die Stirn, der seine Aktiengewinne bisher nicht versteuerte und seine Mieteinnahmen mit den Schulden verrechnen konnte.

Schröders wolkiges "Weiter so"

Das Regierungsprogramm von Angela Merkel, vorgetragen mit kühler Unerschütterlichkeit, bietet zur Belohnung für all die Mühsal nur die Überzeugung, dass am Ende dieses schweren Weges ein Land steht, das auch für künftige Generationen noch Arbeitsplätze und soziale Sicherheit bieten kann.

Dagegen musste Schröders wolkiges "Weiter so" geradezu berauschend wirken. Der Kanzler verteidigte seine Reformen, kündigte aber keine neuen an. Mit wohldosiertem Populismus gelang es ihm, die Union als unsozial darzustellen, die SPD dagegen als Anwalt der kleinen Leute und die sozialen Einschnitte seiner Regierung als einmalige Notoperation. Staatsmännisch, mit einer gewissen Herablassung, belehrte er die Kandidatin, dass ihr reformatorischer Eifer zum Scheitern verurteilt und ohnehin eher überflüssig sei. Das war weder überzeugend noch sympathisch - aber beruhigend.

Tendenz zu großer Koalition

Denn trotz der gestiegenen Umfragewerte für Schröder und seine Partei sind zwei Drittel der Deutschen nach wie vor davon überzeugt, dass nicht er der künftige Regierungschef sein wird, sondern Angela Merkel. Aber die Zahl der Wähler, die auf eine große Koalition von CDU und SPD als das kleinere Übel setzen, wächst. Die Wahl wird zeigen, ob Deutschland für einen Systemwechsel bereit ist - Merkel hat deutlich gemacht, dass sie ihn will.

Die Kandidatin ließ sich in ihrem Schlusswort vom Wahlkampf des konservativen US-Präsidenten Ronald Reagan inspirieren und forderte die Wähler auf, sich zu überlegen, ob es ihnen besser ginge als zu Beginn der rot-grünen Regierung. Viele dürften diese Frage zwar verneint haben, doch zu dem Schluss gekommen sein, dass sie persönlich von einem Regierungswechsel auch nicht profitieren würden. Vielleicht hätte Merkel es mit Kennedy versuchen sollen: "Frag nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern was Du für Dein Land tun kannst."