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Mit Karawane und Krummdolch durch die Wüste

Amin Farzanefar (Qantara.de)6. Mai 2004

Faszinierend fremd und inspirierend ist die arabische Welt für westliche Literatur und Kunst schon seit Jahrhunderten. Auch der Film hat den Orient immer wieder dargestellt - meist in stereotypen Bildern. Eine Rückschau.

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Liebe im Orient: "Casablanca" mit Ingrid Bergmann und Humphrey BogartBild: AP

Anfang des 20. Jahrhunderts wird der "Orientalismus" von Literatur und Kunst vergangener Jahrhunderte auch in das neue Medium, den Film, überführt. Stummfilmstar Rudolpho Valentino etwa erfährt in Wüsten-Liebesdramen wie "Sheikh" (1921), und der Fortsetzung, "The Son of the Sheikh" (1926) geradezu hysterische Verehrung.

Auch nach dem Übergang zum Ton- und später dann zum Farbfilm wird in den Kulissen der Traumfabrik vor allem das Bild eines bunten, märchenhaften Orients heraufbeschworen: Zahllose Verfilmungen knüpfen an die "Märchen aus 1001 Nacht" an. Sindbads und Ali Babas, Diebe, Derwische und Dämonen tummeln sich in den Szenarien.

"Bei Allah"

Die Requisiten, Kulissen und Motive dieses Film-Orients sind meistens die Gleichen: Karawane, Kalif und Krummdolch, Oase, Fata Morgana und indischer Seiltrick. Schmalhüftige Blondinen führen sonderbare Verrenkungen, genannt Bauchtanz, auf, und die Helden murmeln entzückt: "Bei Allah", während einäugige Bettler um ein Bakschisch flehen. Konkretes, historisch und geografisch Stimmiges lässt sich in den 1001-Nacht-Variationen meist nur im Hintergrund ablesen.

Ein anderer Erzählstrang ist näher dran am Zeitgeschehen und lässt Kolonial-Geschichte durchscheinen: Die viel zitierte "wunderbare Freundschaft" in Michael Curtiz' Kultklassiker "Casablanca" (1942) findet ausschließlich unter Weißen statt: Kein Marokkaner hat hier eine größere Sprechrolle.

Märtyrer

Politik schleicht sich immer unter der Hand in den Film-Orient ein, etwa als in den 1960er-Jahren die kriegerischen Auseinandersetzungen um die Staatsgründung Israels das Weltgeschehen prägten.

Jetzt war es Zeit, Großtaten darzustellen: Allen voran Charlton Heston. Er gibt immer wieder den weißen Mann von Ehre: In Anthony Manns Monumentalschinken "El-Cid" (1961) spielt er Rodrigo Diaz de Bivar, den legendären Edelmann und Söldner, der im Andalusien des 11. Jahrhundert spanische Christen und ansässige, "integrationswillige" Mauren zum gemeinsamen Sieg gegen die Invasionsheere der finster-fundamentalistischen Almoraviden führt.

Charlton Heston als El Cid
Charlon Heston als El CidBild: AP

Heston stirbt hier einen durch und durch westlichen Märtyrertod, ebenso wie fünf Jahre später: In Basil Deardens "Khartoum" (1966) mimt er den britischen General "Chinese" Gordon, der 1884 den sudanesischen Mahdi-Aufstand niederschlagen soll.

Sehnsucht und Mission

Konkrete historische Wurzeln hat auch die wohl komplexeste und bedeutendste Orientphantasie jener Tage: "Lawrence von Arabien" (1962) ging mit westlicher Kolonialgeschichte ebenso kritisch ins Gericht wie mit den durch innere Machtkämpfe unterminierten Befreiungskämpfen der arabischen Stämme.

Peter O'Toole als Lawrence von Arabien
Peter O'Toole als Lawrence von ArabienBild: AP

Sein Protagonist, T. E. Lawrence, eine zerrissene Persönlichkeit, verkörpert die ambivalente Haltung des Abendlandes gegenüber dem Orient wie kein Zweiter: Den britischen Archäologen und Agenten treibt eine unbestimmte Sehnsucht in die Wüste - und eine handfeste politische Mission. Fasziniert vom Zauber der Landschaft, von Ethos und Lebensart der Beduinen unterliegt er schließlich den finsteren Seiten der eigenen Seele: In den Befreiungsschlachten gegen die türkischen Heere brechen unterdrückte sexuelle Begierden, unterschwellige sadistische Neigungen, Paranoia und Größenwahn aus und führen Lawrence an den Rand des Wahnsinns - der Orient bekommt eben nicht jedem.