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Moskau mit Minsk?

15. August 2002

Russlands Präsident Wladimir Putin hat eine Kehrtwende vollzogen: Vom zögernden Anhänger einer Union mit Weißrussland mutierte er mit einem Mal zum entschiedenen Befürworter. Ein kluger Schachzug?

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Putin auf diplomatischem (Rede-)ParkettBild: AP

"Der Moment ist da", sagte Putin dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko am Mittwoch (14. August 2002) in Moskau. "Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung will es." Ab März 2004 könnten Russland und Weißrussland wieder gemeinsame Wege gehen. Doch der neue Staat soll keine Union gleichberechtigter Brudervölker, sondern ein vergrößertes Russland sein.

Putin schlug mit seinem Vorstoß zwei Fliegen mit einer Klappe. Für das heimische Publikum überholte er Lukaschenko als Motor der russisch-weißrussischen Integration. Zum anderen richtete nach Meinung von Beobachtern eine Botschaft an den Westen, bei der kommenden Erweiterung der NATO und der EU nach Osten Russlands Interessen ernst zu nehmen.

Bislang hatte immer Lukaschenko auf einen Zusammenschluss zwischen Minsk und Moskau gedrungen, er sah sich womöglich selbst als Herrscher im Kreml. Putin dagegen befasste sich nur ungern mit den Problemen, die der Weißrusse in der "letzten Diktatur Europas" angehäuft hat.

Diktator Lukaschenko

Sollte Putin sein Vereinigungs-Szenario durchsetzen, ist Lukaschenkos Herrschaft über die elf Millionen Weißrussen zu Ende. Der seit 1994 amtierende Staatschef ist im Westen geächtet. Er brachte die Opposition zum Verstummen oder trieb sie in die Emigration.

Einige seiner Gegner verschwanden unter rätselhaften Umständen. Lukaschenko vertrieb die westlichen Botschafter, weil sie ihm zu dicht an seiner Residenz wohnten, und drangsalierte die Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die für eine Demokratisierung des Landes arbeitete.

Russland geht vor!

Putin stellte klar, welcher Maßstab bei dem Zusammenschluss gelten solle: die Verfassung der Russischen Föderation. Auch die von ihm vorgeschlagenen Wahltermine fallen mit den in Russland anstehenden Parlaments- und Präsidentenwahlen zusammen. Im März 2004 will Putin wieder in den Kreml gewählt werden. Es ist unwahrscheinlich, dass Lukaschenko ihm dabei Konkurrenz machen könnte.

Der weißrussische Autokrat, ansonsten nicht auf den Mund gefallen, fand die Worte erst bei seiner Rückkehr nach Minsk wieder. "Das ist für Weißrussland unannehmbar", ärgerte er sich. Putin war es gelungen, Lukaschenko als Bremser der Integration dastehen zu lassen.

Fingerzeig nach Brüssel

Der neue großrussische Staat würde bis an die Ostgrenzen Polens und der baltischen Republiken vorrücken, die bald der NATO und der EU angehören werden. Auch die Entfernung zur russischen Exklave Kaliningrad, dem früheren Ostpreußen um Königsberg, würde auf etwa 100 Kilometer schrumpfen.

Moskau streitet sich mit Brüssel darum, wie der Verkehr zwischen der Exklave an der Ostsee und dem russischen Mutterland nach dem EU-Beitritt Polens und Litauens aussehen soll. Eine Verschmelzung Russlands mit Weißrussland könnte Moskaus Verhandlungsposition stärken, meinte Putins Sondergesandter für das Kaliningrad-Problem, Dmitri Rogosin. (dpa/arn)