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Studieren in NL

Ruth Reichstein21. Mai 2008

70.000 deutsche Studenten gehen jedes Jahr ins Ausland. Auf der Beliebtheitsskala ganz weit oben stehen die Niederlande. 14.000 Deutsche haben im vergangenen Jahr dort studiert, viele an der Uni Maastricht.

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Kleine Seminare statt überfüllter Hörsäle - Vorlesung an der Humboldt-Universität Berlin. In den Niederlanden ist das normal.
Kleine Seminare statt überfüllter Hörsäle - in den Niederlanden ist das normalBild: AP

Im Café der Universität Maastricht herrscht Hochbetrieb. Die Studierenden stehen in einer endlosen Schlange und warten auf ihren Kaffee. Das sei kein Wunder, meint Julia Langenohl und lacht. Schließlich gäbe es hier den besten Capuccino der Stadt. Sie sitzt an einem der hohen Tische im hinteren Teil des Raumes. Hier verbringt die 19-Jährige aus Wuppertal öfter ihre Freizeit, plaudert mit Freunden oder liest. Im vergangenen Herbst zog sie nach Maastricht, um internationale Betriebswirtschaft (BWL) zu studieren.

Niederländer investieren kräftig in Bildung

Julia war auf der Suche nach BWL auf Englisch mit internationalem Fokus, als ihr die Universität Maastricht auffiel. "Hier ist alles sehr international ausgerichtet. Das Bildungssystem ist besser als in Deutschland, man sieht den Universitäten an, dass mehr investiert wird", meint Julia.

Maastricht - hohe Lebensqualität und gute Studienbedingungen.
Maastricht - hohe Lebensqualität und gute StudienbedingungenBild: npb

So wie ihr geht es vielen. 50 Prozent der Studierenden in Maastricht kommen aus dem Ausland, 30 Prozent aus Deutschland. "Das ist ein sehr wichtiger Teil unserer Strategie", sagt Jo Ritzen, der Rektor der Universität und ehemaliger niederländischer Bildungsminister. Das Ziel sei, Studierende auf den internationalen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Die größte Herausforderung für die europäischen Universitäten sei, den Brain-Drain in einen Zustrom von Studierenden aus dem Ausland zu verwandeln. "In der restlichen Welt wird die Anzahl von Studierenden zunehmen, bei uns wird sie sonst abnehmen", fügt er hinzu.

Kleine Lerngruppen, großer Erfolg

Ex-Minister Ritzen hat in den 1990er-Jahren die niederländischen Hochschulen dazu ermuntert, sich ausländischen Studierenden weiter zu öffnen – mit Erfolg. Heute studieren in Maastricht nicht nur Deutsche, sondern auch5000 Chinesen, 2500 Belgier, aber auch Polen, Indonesier und US-Amerikaner.

Ein wichtiger Punkt der für Maastricht spricht ist, dass viele Kurse auf Englisch angeboten werden, meistens in sehr kleinen Gruppen. Julia Langenohl sitzt beispielsweise mit nur zwölf Kommilitonen in einem Raum in ihrer Fakultät. Die Studierenden sollen ein neues Logistik-Konzept für eine niederländische Firma erarbeiten. Der Dozent sitzt zwar im Raum, überlässt die Gesprächsführung aber einem seiner Studierenden. Selbstständiges Arbeiten in Kleingruppen – das ist ein Erfolgsrezept der Holländer. Und das komme auch bei den Deutschen gut an, sagt Arjan Vlaskamp, der seit zwei Jahren in Maastricht studiert.

Es gebe kaum Hörsäle und am wichtigsten sei die Gruppe an sich – bestehend aus 12 bis 15 Leuten. Gemeinsam bekommen sie eine Aufgabe und müssen versuchen, diese zu lösen. Sie stellen sich selbst Fragen, die sie mit nach Hause nehmen. "Und nach zwei Wochen redet man darüber. Durch die verschiedenen Interpretationen diskutiert man und lernt auch viel mehr", sagt Arjan.

Ganz normaler Luxus

Die Bibliothek der Universität ist nur ein paar Häuser entfernt von der Wirtschaftsfakultät. Die Räume sind groß und hell. Vor dem Eingang stehen unzählige Fahrräder und die Studierenden laufen mit Einkaufskörben voller Bücher durch die Gänge. Auch Julia kommt regelmäßig hierher. Sie war am Anfang vollkommen erstaunt, wie gut die Universität ausgestattet ist.

Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) in Göttingen freies Bildformat
Universitätsbibliotheken - gut und aktuell ausgestattet sind sie die Basis für ein gutes StudiumBild: Picture-Alliance /dpa

"Ich denke, man kann die Uni Maastricht eher mit einer Privatuni in Deutschland vergleichen von der Ausstattung her", meint Julia. Die Gruppenräume sind modernisiert, es gibt überall Beamer und Computer, und die Gruppe bekommt immer einen Tutor, der Hilfestellung geben kann. "Das ist einfach nicht zu vergleichen mit den großen und überfüllten Hörsälen in Deutschland", fügt Julia hinzu. All das habe bei ihrer Wahl des Studienortes eine Rolle gespielt.

Gutes Studium für die Studenten, mehr Geld für die Unis

Andere Deutsche kommen nach Holland, um den Numerus Clausus zu umgehen, den es beispielsweise in den Niederlanden im Fach Psychologie nicht gibt. Und so studieren in Maastricht mehr als 350 Deutsche in diesem Fach.

Aber die niederländischen Universitäten sind auch äußerst aktiv, um den Zustrom aus dem Nachbarland aufrecht zu erhalten. Sie veranstalten regelmäßig Info-Seminare in Deutschland und es gibt sogar eine spezielle Internetseite für deutsche Studierende.

Dieses Engagement hat auch einen finanziellen Grund, erklärt Rektor Ritzen: "Jeder Dekan weiß, dass er mehr Geld bekommt, wenn er mehr Studierende und mehr Absolventen hat." Denn die niederländischen Universitäten werden pro Studierendem und Absolventen bezahlt. Pro Abschluss seien das immerhin zwischen 10.000 und 20.000 Euro im Jahr, sagt Ritzen.

Internationales und interkulturelles Studentenleben

Studierende wie Julia und Arjan wollen von den internationalen Angeboten in Maastricht profitieren und neben den wissenschaftlichen Inhalten auch die kulturelle Erfahrung mitnehmen, so Arjan: "Ich komme aus Goch, das ziemlich nah an der deutsch-niederländischen Grenze liegt. Dort gibt es eigentlich keine Grenze mehr, die verschwimmt von Jahr zu Jahr mehr."

Auch an der Universität vermischt sich alles – deutsch, niederländisch, englisch. Der Unterricht ist englisch, Freunde sind deutsch und niederländisch. Es könne sein, so Arjan, dass ich in einem Satz drei Sprachen benutze. Ein ziemliches Durcheinander, das jedoch das Leben bereichert.