1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Erstes Referendum gegen Orbans Willen

6. April 2016

Die Ungarn dürfen darüber abstimmen, ob die Geschäfte sonntags öffnen können. Das Oberste Gericht gab grünes Licht für ein Volksbegehren der Sozialisten. Das dürfte dem mächtigen Regierungschef Orban sehr missfallen.

https://p.dw.com/p/1IQTG
Ministerpräsident Viktor Orban (Foto: AP/Picture alliance)
Bild: picture-alliance/AP Photo/T. Kovacs

Zum ersten Mal seit dem Machtantritt von Viktor Orban (Artikelbild) vor sechs Jahren zeichnet sich in Ungarn eine Volksabstimmung gegen den ausdrücklichen Willen des rechts-konservativen Ministerpräsidenten ab. Das Oberste Gericht in Budapest entschied, dass das Volksbegehren der oppositionellen Sozialistischen Partei (MSZP) über die umstrittene Schließung der Geschäfte an Sonntagen rechtens ist. Sobald die Sozialisten 200.000 Unterschriften gesammelt hätten, müsse eine Volksabstimmung über die Beibehaltung der Regelung abgehalten werden. Das Ergebnis des Referendums ist für die Regierung bindend.

Die vor einem Jahr verfügte Schließung der Läden an Sonntagen ist in Ungarn höchst unpopulär. Seit der Wende vor 25 Jahren sind es die Bürger gewohnt, dass Läden und Geschäfte ihre Öffnungszeiten ohne Einschränkungen gestalten konnten. Orban hatte die Abschaffung der liberalen Regelung mit "christlichen Werten" und dem "Schutz der Familien" begründet. Motiviert hatte ihn aber auch der Wunsch, ausländische Handelsketten zu schwächen, die mit ihren Einkaufszentren an den Sonntagen gute Umsätze verbuchten.

Dubiose Winkelzüge

Die Sozialisten versuchen schon seit längerem, ein Volksbegehren gegen die restriktive Regulierung der Öffnungszeiten auf den Weg zu bringen. Dabei kamen ihnen aber jeweils Sympathisanten der Regierungspartei Fidesz zuvor, die Schein-Fragen zum selben Thema einreichten. Damit blockierten sie die Initiativen der Opposition, weil die Wahlkommission immer nur einen Vorschlag für ein Referendum überprüfen darf.

Zuletzt war es am 23. Februar am Sitz der Wahlkommission in Budapest zu einem richtiggehenden "Wettlauf" zwischen dem MSZP-Politiker Istvan Nyako und einer älteren Fidesz-Sympathisantin gekommen. Fußball-Hooligans aus dem Umkreis des Fidesz-Parteidirektors Gabor Kubatov begleiteten die Frau und drängten Nyako von der Stechuhr der Wahlkommission weg, sodass ihm die Fidesz-Anhängerin mit ihrem Schein-Antrag um vier Sekunden zuvorkam. Die Wahlkommission, die mit Fidesz-Parteigängern besetzt ist, lehnte das Volksbegehren der Sozialisten ab und verwies zur Begründung auf die Reihenfolge der Einreichungen.

Schlappe für Orban

Den regierungsnahen Intriganten machte das Oberste Gericht, das diesem Fall die zuständige Berufungsinstanz darstellt, nun einen Strich durch die Rechnung. Es trat überraschend schnell zusammen und erklärte, nachdem es die Vorfälle am Sitz der Wahlkommission umfassend geprüft hatte, den Antrag der Fidesz-Frau für ungültig. Im gleichen Zug erklärten die Richter das Volksbegehren der Oppositionellen für rechtens. Beobachter sehen in der Entscheidung eine kleine Schlappe für den einflussreichen Regierungschef. Sollte das Referendum die Zustimmung der Bevölkerung finden, wäre dies ein herber Rückschlag für Orban.

Mehrere Oppositionsparteien haben bereits angekündigt, dass sie den Sozialisten helfen wollen, die nötigen Unterschriften zu sammeln. Sie riefen zugleich ihre Unterstützer auf, das Referendum zu unterstützen.

kle/sc (dpa, ape)