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Pädophilen-Prozess in Frankreich

3. März 2005

In Angers hat der größte Kinderschänderprozess der Justizgeschichte Frankreichs begonnen. Den 66 Angeklagten werden Gruppenvergewaltigungen, sexueller Missbrauch und Zwangsprostitution ihrer eigenen Kinder vorgeworfen.

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Auf dem Weg in den GerichtssaalBild: AP

Seit Donnerstag (3.3.2005) stehen die Angeklagten – 39 Männer und 27 Frauen – im westfranzösischen Angers vor Gericht. Ihnen wird sexueller Missbrauch in mehreren hundert Fällen vorgeworfen. Die 45 betroffenen Kinder, die zur Tatzeit zwischen sechs Monaten und 12 Jahren alt waren, erlebten laut Anklage in einem Zeitraum von drei Jahren schlimmste Übergriffe. So wurden sie auf Sex-Partys vergewaltigt - auch von ihren eigenen Eltern und Großeltern - und von ihren Angehörigen zur Prostitution gezwungen.

Die kommunistische Pariser Zeitung Humanité bezeichnet die durchweg sozial benachteiligten Schichten angehörenden Täter als "Monster der Armut“. Der Fall sei Ausdruck der politischen und moralischen Krise, die den Anderen allzu häufig zum Fremden und aus den Körpern und Seelen der Kinder eine Ware mache.

Organisiertes Netzwerk oder familiärer Zirkel?

Drahtzieher der Kinderschänderei sollen die Eltern von zwei zum Zeitpunkt der Taten drei und vier Jahre alt gewesenen Mädchen sein. Die Kinder wurden von 25 Erwachsenen missbraucht und vergewaltigt. Ihre Eltern verkauften sie und viele weitere Kinder gegen Geld an Pädophile.

Die 51 Verteidiger werden versuchen, das soziale Elend ihrer Klienten in den Mittelpunkt des Verfahrens zu rücken. Sie wollen auf ein angeblich "organisiertes Netz“ von Kinderschändern aufmerksam machen, das über die familiären Zirkel der Opfer hinausgehe. Auch die Ermittler halten es für wahrscheinlich, dass noch nicht alle Täter vor Gericht stehen.

Psychologische Unterstützung für die Geschworenen

Für die Gerichtverhandlung wurde ein Saal von 360 Quadratmetern gebaut. Der Prozess, der vier Monate dauern soll, kostet eine Million Euro. Vermutlich werden nur die Medien zum Prozess vor dem Geschworenengericht von Maine-et-Loire zugelassen werden. Der Grund: Das Grauen, um das es in den Verhandlungen gehen wird, sei zu groß. Die Anklageschrift umfasst 430 Seiten, der gesamte Aktenberg ist 25.000 Seiten dick. Die Sprache stößt bei der Beschreibung dessen, was sich abgespielt haben soll, an ihre Grenzen. Den Juroren stehen während des Prozesses Psychologen zur Seite.

Sorgfältig vorbereiteter Prozess

Um eine Wiederholung des "Justiz-Fiaskos von Outreau“ vom Mai 2004 zu vermeiden, wurde der Prozess sehr sorgfältig vorbereitet. Damals hatten in einem Kinderschänderprozess 16 Angeklagte vor Gericht gestanden, von denen 13 freigesprochen werden mussten. Die Anklage war wegen der dünnen Beweislage eingebrochen. Diesmal sind die meisten der Angeklagten geständig. Drei von ihnen droht eine lebenslängliche Haftstrafe, da sie Wiederholungstäter sind. Andere könnten mit einer Haftstrafe von drei Jahren davonkommen. Das Urteil wird für Ende Juni erwartet. (ab)