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Parlamentarische Transparenz auf Prüfstand

30. September 2009

Parlamentarier sind in Jobangelegenheiten zu besonderer Transparenz verpflichtet: Jeder muss Nebentätigkeiten im Bundestagshandbuch veröffentlichen. Otto Schily klagt gegen diese Regelung. Nun steht das Urteil an.

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Geld auf einer Waage (Foto: dpa)
Geld kann gefügig machen, deshalb sollen Parlamentarier Auskünfte über Einkünfte gebenBild: AP

Otto Schily wird in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr dem Bundestag angehören. Damit verlässt einer der präsentesten Politiker der vergangenen Jahre die politische Bühne Berlins. Wenn Otto Schily schwieg, gab dies zu denken. Schließlich war der ehemalige Bundesinnenminister sonst immer bereit, über alles Mögliche zu reden - seine Zeit als RAF-Anwalt und Grünen-Gründer, seine Motive für den Parteiwechsel zur SPD und die besten Ideen zur inneren Sicherheit. Geschwiegen hat er in den vergangenen Jahren vor allem über eines: seine Einkünfte neben dem Einkommen für seine Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter. Gegenüber den Bürgern sowieso, aber auch gegenüber Bundestagspräsident Norbert Lammert.

Nebeneinkünfte müssen offengelegt werden

Schily im Portrait (Foto: AP)
Otto Schily hat keine Lust, seine Geldgeber zu nennenBild: AP

Das Abgeordnetengesetz schreibt vor, dass jedes Mitglied des Parlaments seine Nebeneinkünfte dem Bundestagspräsidenten offenlegen muss. Für seine Weigerung wurde Schily deshalb mit einem Bußgeld von 22.017 Euro belegt. Laut der Regelung für Nebeneinkünfte ist klar: Wer von wem auch immer regelmäßig Geld bekommt, steht in Abhängigkeit zum Geldgeber. Deswegen müssen die Parlamentarier ihre Nebentätigkeiten offen legen. Tun sie dies nicht, riskieren sie, ein Ordnungsgeld zahlen zu müssen. Wie Otto Schily.

Der ehemalige Bundesinnenminister klagt gegen diese Regelung vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht. Schily hatte sich geweigert, von Lammert vermutete Einkünfte in Höhe von 140.000 Euro aus einer Beratertätigkeit beim Siemens-Konzern anzugeben, obwohl Schily damit gegen die Pflicht von Bundestagsabgeordneten zur Offenlegung ihrer Nebeneinnahmen verstieß. Er verweigerte die Angaben mit der Begründung, er unterliege als Anwalt einer Schweigepflicht.

Bußgeld beträgt ein Viertel der jährlichen Diäten

Der Plenarsaat im Reichstag (Foto: dpa)
Die Parlamentarier werden genau beäugtBild: dpa

Da der Abgeordnete Schily auch nach weiterer Aufforderung zur Nennung seiner Nebeneinkünfte seiner Pflicht nicht nachkam, verhängte das Präsidium des Bundestages im April vergangenen Jahres das Bußgeld, ein Viertel der jährlichen Abgeordnetendiäten. Schily kündigte noch am Tag der Verhängung der Strafe Klage beim Bundesverwaltungsgericht an - nun liegt der Fall den Leipziger Richtern vor und sie werden vermutlich noch am Mittwoch (30.09.2009) ein Urteil fällen.

Schily wählte bei den Angaben seiner Nebeneinkünfte einen eigenen Weg: Was er an Honoraren für Vorträge erhalten hatte, berichtete er dem Bundestagspräsidium, was er als Anwalt verdiente, will er nicht sagen, obwohl er die Namen seiner Mandanten gar nicht nennen müsste. Der ehemalige Verteidiger von Mitgliedern der RAF fürchtet aber, dass allein durch die Höhe der Honorare aus anwaltlicher Tätigkeit Rückschlüsse auf seine Auftraggeber möglich seien.

Dass Schily die Strafe aufgebrummt bekam, stieß sogar bei politischen Weggefährten auf Zustimmung. So erklärte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz, die Verhaltensregeln würden für alle Abgeordneten gelten "sogar für den berühmten und bedeutenden Otto Schily", wie er dem "Kölner Stadtanzeiger" sagte.

Weitere Verstöße

Vor wenigen Wochen kam heraus, dass mehrere Bundestags-Abgeordnete ihre Mitwirkung in Vereinen verheimlicht hatten, die der Rüstungslobby nahe stehen. Fünf Abgeordnete von SPD und FDP wurden zum Teil seit Jahren bei der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) und dem Förderkreis Deutsches Heer (FKH) als Präsidiumsmitglieder geführt. Ihre Mitwirkung haben sie aber nicht veröffentlicht.

Nouripour im Portrait (Foto: AP)
Versteht beim Thema Lobbyarbeit keinen Spaß: Grünen-Politiker Omid NouripourBild: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Lobbyismus-Kritiker sehen in den Verstößen der anderen Politiker mehr als nur Kavaliersdelikte. "In den Vereinen finden sich Firmen wieder, die sich von der Bundeswehr Aufträge erhoffen", sagte Ulrich Müller von der Organisation Lobbycontrol. "Insofern muss die Mitgliedschaft in Gremien solcher Lobby-Plattformen für alle erkennbar sein." Der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour hält die Regelungen zur Transparenz der Nebeneinkünfte für sinnvoll: "Diese Regeln waren so oft in den Medien, die muss jeder Abgeordnete kennen."

Müller gibt der Bundestagsverwaltung eine Mitschuld, dass die Parlamentarier immer wieder gegen die Nebeneinkünfte-Regelungen verstoßen. Müller greift auch Lammert direkt an, der ausgerechnet für Schily "viel Verständnis" zeigte. Lammert hatte einst gegen die Vorschriften zur Veröffentlichung der Nebeneinkünfte gestimmt. Müller meint, es würden zu selten Sanktionen verhängt. Lammert behandle das Verschweigen von Nebentätigkeiten immer noch als Kavaliersdelikt. "Er hilft den Abgeordneten, die gegen die Verhaltensregeln verstoßen haben, das stillschweigend zu korrigieren." Auf diese Weise würden die geltenden Transparenzregeln untergraben.

Autor: Marcus Bölz (mit AP)

Redaktion: Martin Schrader