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Pleite aufgeschoben

21. Februar 2012

Die Experten sind sich einig: Auch das zweite Hilfspaket für Griechenland wird nicht ausreichen. Was dem Land fehlt, ist ein überzeugendes Modell mit Perspektiven für Wachstum.

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Vor dem Schein einer Flamme ist eine zersägte Euro-Münze aus Griechenland auf diesem Illustrationsbild zur Euro-Schuldenkrise am Dienstag (10.01.2012) in Frankfurt am Main zu sehen. Die Europäische Zentralbank (EZB) gibt am Donnerstag (12.01.2012) auf ihrer turnusmässigen Pressekonferenz in Frankfurt Auskunft über den aktuellen Stand der Entwicklung im Euro-Raum. Finanzmarktexperten rechnen nicht mit einer neuen Zinsentscheidung. Foto: Boris Roessler dpa/lhe (Redaktionshinweis: Die Münze auf diesem Foto wurde von einem gewerbsmässigen Künstler teilweise zersägt.)
Bild: picture-alliance/dpa

Ökonomen gehen davon aus, dass Griechenland auch nach dem zweiten Rettungspaket nicht ohne weitere Hilfe aus der Schuldenfalle herauskommen wird. "Der Plan, Griechenland im Euro radikal zu sanieren, ist illusionär", sagt zum Beispiel der Chef des Münchener Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, der schon lange für einen Austritt Griechenlands aus dem Euroclub plädiert.

Viele Volkswirte rechnen damit, dass früher oder später ein noch größerer Schuldenschnitt nötig wird. "Jedem ist klar, dass das jetzige Paket nicht reichen wird", so der Finanzwissenschaftler Ansgar Belke von der Universität Duisburg-Essen zur DW. "Es geht nur darum, Zeit zu kaufen. Die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF geht in internen Papieren davon aus, dass Griechenland auch in acht Jahren nicht von der Unterstützung wegkommt."

Interne Papiere warnen

Knackpunkt ist für viele Experten die bislang unterstellte Wirtschaftsentwicklung in Griechenland. Denn solange das Land massiv sparen muss, kann sich die Wirtschaft nicht erholen. In der internen Schuldenanalyse, die die "Financial Times" in Auszügen im Internet veröffentlichte, warnt die Troika denn auch vor einer Vertiefung der Rezession. Würden sich die notwendigen Reformen und Privatisierungen weiter verzögern, dann drohe die Gesamtverschuldung Athens auch in acht Jahren noch bei 160 Prozent zu verharren.

"Die Gefahr bleibt, dass sich Griechenland in die wirtschaftliche Depression spart, in die Insolvenz schlittert und aus der gemeinsamen Währung austreten muss", schreibt auch Volkswirt Christian Schulz von der Berenberg Bank in einer Analyse. Um die Rettungschancen zu erhöhen, müsse sich der Schwerpunkt der Bemühungen allmählich von der Sparsamkeit hin zu Strukturreformen verschieben.

Geldhahn zudrehen?

Ins gleiche Horn stößt auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. "Unsere Berechnungen zeigen, dass Griechenland selbst die deutlich gesenkten Schulden ohne die Umsetzung tiefgreifender Reformen langfristig kaum tragen kann. In der zweiten Jahreshälfte steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine frustrierte Staatengemeinschaft Griechenland den Geldhahn zudreht."

Viele Experten fragen sich zudem, was eigentlich damit gewonnen ist, wenn der Schuldenstand Griechenlands tatsächlich von jetzt 160 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung auf 120 Prozent gedrückt werden kann. "Nach dem Maastricht-Vertrag sind 60 Prozent Staatsverschuldung erlaubt", sagt Ansgar Belke zur DW. "Es gibt keine volkswirtschaftliche Begründung dafür, warum ein Schuldenstand genau 120 Prozent sein soll."

Es käme viel mehr darauf an, so Belke, dass eine Wirtschaft wächst, um Schulden tilgen und Zinsen zahlen zu können. "Und das ist in Griechenland der große Pferdefuß." Es gebe massiven Widerstand gegen die Reformen in Griechenland, "und auch die Politik macht nicht den Eindruck, dass sie voranschreiten will".

Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Henrik Böhme