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Politik im Stadion

Sean Sinoco (gh)26. Januar 2006

So manchem Politiker ist jedes Mittel recht, um die Gunst der Wähler zu gewinnen. Ein möglicher Ort der politischen Profilierung ist das Fußballstadion. Aber ist dort wirklich etwas zu holen?

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Volle Stadien wie die "Arena AufSchalke" sind oft eine gute Bühne für PolitikerBild: AP

Ob Ausschluss einzelner Länder von internationalen Sportereignissen oder der eigene Boykott von Veranstaltungen in unbeliebten Ländern - schon oft haben Politiker den Sport benutzt, um politische Aussagen zu machen oder sich in eigener Sache zu profilieren.

Jüngstes Beispiel war der Vorschlag einiger deutscher Politiker, mit Blick auf die aktuelle Weltpolitik den Iran von der Fußball-WM 2006 auszuschließen: als Antwort auf die antisemitischen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad.

FIFA will nichts mit Politik zu tun haben

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad
Soll der Iran wegen seines Präsidenten von der WM ausgeschlossen werden? Nein, sagt die FIFABild: dpa

Die FIFA, die "Regierung" des Weltfußballs, war dagegen. Sie wollte weder den Iran von der Veranstaltung im Sommer ausschließen noch selbst in politische Debatten einbezogen werden. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte in der vergangenen Woche an, sie werde es nicht unterstützen, den Iran von der Fußball-Weltmeisterschaft auszuschließen.

Nur kurze Zeit nach dem Aufruf des iranischen Präsidenten zur Zerstörung Israels ist die Nummer eins der deutschen Bundesliga, der 1. FC Bayern München, zu einem Trainingsspiel nach Teheran gereist. Eine umstrittene Reise. Der Verein setzte sich damit dem Verdacht aus, die Regierung Ahmadinedschads zu legitimieren.

Trennung von Sport und Politik nicht möglich

Bayern-Manager Uli Höneß hatte das Spiel zuvor verteidigt: "Wir spielen Fußball und führen keinen Krieg". Doch für den iranischen Vizepräsidenten und Sportbeauftragten Mohammed Aliabadi habe das Spiel tatsächlich "politische Bedeutung". Diese Politik sollten auch die Ansagen vor dem Spiel im Stadion demonstrieren: "Die friedliche Nutzung von Atomenergie ist das natürliche Recht der iranischen Nation" hieß es auf Englisch gegenüber den 50.000 anwesenden Fans.

Selbst wenn die Bayern nur an den 300.000 Euro interessiert gewesen wären, die sie für die zwölfstündige Reise nach Teheran bekamen, ist eine Verbindung zwischen Sport und Politik nicht zu verneinen, so die Hamburger Soziologieprofessorin Gabriele Klein. Sie beschäftigt sich mit der soziologischen Bedeutung von Bewegung, Sport und Tanz. "Sport wurde schon immer politisiert", sagt sie. "Das einzelne Spiel auf dem Rasen, etwa während der Fußball-WM, ist nur ein kleiner Teil des Gesamtereignisses."

Gerhard Schröder hart am Ball
Als niedersächsischer Ministerpräsident präsentierte sich Gerhard Schröder volksnahBild: dpa

Das zeigt auch der politische Aufruhr vor wenigen Tagen, als die FIFA die Eröffnungs-Gala der Fußball-WM absagte: Im Sport geht es um mehr als nur um die Frage, welches Team gewinnt. Die Empörung war groß, obwohl die Veranstaltung keinerlei Bedeutung für den sportlichen Wettstreit hat.

Sport zieht Massen an

"Gastgeber eines solch großen Sportereignisses zu sein, ist von wesentlicher Bedeutung. Sowohl für Städte als auch für die nationalen Sportkomitees", sagt Klein. "Ob eine Stadt zu einem Austragungsort für Spiele einer Weltmeisterschaft wird, ist sehr wichtig für sie. Denn Sport zieht Massen - mehr als jedes andere Festival."

Die große kulturelle Rolle des Sports in der Gesellschaft und die Emotionen, die er bei den einzelnen Fans wecken kann, machen ihn zu einem idealen Mittel für Politiker: Mit Sport kann man sich bei den Wählern beliebt machen, so Hans-Georg Ehrhart von Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik.

"Politiker versuchen, sich selbst in den Vordergrund zu rücken, um etwas von dem Glanz des Ereignisses abzubekommen", sagt er. "Deutlich wird das beispielsweise bei den vielen Politikern auf der Tribüne." Vor allem autoritäre Regime versuchten internationale Sportereignisse zu nutzen, um so ihre Macht zu legitimieren, fügt Ehrhart hinzu.

Ein anrüchiges Beispiel dafür waren die Olympischen Sommerspiele in Nazideutschland 1936. Hitler benutzte die Spiele als Möglichkeit, das Dritte Reich positiv darzustellen und die Welt zu beeindrucken. Dafür wurden die Berliner Sportstätten verbessert und aus einer bis dato eher bescheidenen Olympia-Tradition ein Riesenspektakel gemacht.

Staatstreffen auf der Tribüne können politische Beziehungen verbessern

Aber es ist nicht immer negativ, wenn Politiker in Sportereignisse involviert sind. Diese können internationalen Politikern auch Gelegenheiten bieten: etwa die, ohne den Druck internationaler Gipfel oder Pressekonferenzen miteinander in Kontakt zu kommen, so Thomas Löwer von der Philipps-Universität in Marburg.

Fußballweltmeisterschaften 2002 in Südkorea und Japan
Als Gastgeber der Fußball-WM 2002 kamen sich Japan und Südkorea näher

"Sportereignisse sind angenehme Treffpunkte für Politiker", sagt Löwer. So treffen sich beispielsweise Politiker aus Pakistan und Indien bei internationalen Cricket-Spielen. Und die Fußball-WM im Jahr 2002 half den Gastgebern Korea und Japan durchaus, ihre Beziehungen zu verbessern. "Sport bietet Ländern einen Weg, zusammen zu kommen."

Die Sportler aber, die solche Ereignisse erst möglich machen - und die selten nach ihrer persönlichen Meinung gefragt werden -, interessieren sich meist wenig dafür, was die Führer dieser Welt auf der Tribüne besprechen, sagt Reza Fazeli, Berater der iranischen Spieler in der deutschen Bundesliga.

"Die Spieler sind Sportler, die durch internationale Politik nicht beeinflusst werden", meint er. "Politik ist eine Sache, Sport eine andere. Politiker sollten dem Fußball einfach fern bleiben."