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Russland: <BR>Meinungsfreiheit als Auslegungssache

Andreas Noll9. Oktober 2003

Auch für die Medien gilt: Anspruch und Wirklichkeit liegen in Russland oft weit auseinander. Wenn nach der Pressefreiheit gefragt wird, dann hat die Antwort meist etwas mit Tschetschenien zutun.

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Setzte strenge Medienkontrollen durch: Staatspräsident Wladimir PutinBild: AP

Viele Russen hatten gehofft, dass mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion auch das staatliche Monopol auf Meinungen verschwinden werde. Zwölf Jahre danach ist die staatliche Zensur zwar abgeschafft und das Recht auf freie Meinungsäußerung gesetzlich verankert. Einen unabhängigen Medienmarkt gibt es aber trotzdem nicht.

Rückzug der Liberalen

Der russische Medienmarkt wird heute von Sendern und Zeitungen dominiert, die regierungstreu berichten. Der kritische Fernsehsender NTV wurde zerschlagen, und auch die unabhängige Zeitung "Nowye Iswestija" hat im Februar 2003 ihre Arbeit eingestellt. In der letzten Ausgabe wurde die Begründung gleich mitgeliefert: "Es kann als Merkmal der heutigen Zeit betrachtet werden, dass vom Bildschirm und aus den Zeitungskiosken allmählich eben die Sender und Zeitungen verschwinden, deren Position nicht mit der der Machtorgane übereinstimmt und sich von der abgestimmten Linie der staatlichen Massenmedien in politischen Schlüsselfragen unterscheidet."

Unbequeme Fragen

Das betrifft ebenso die zum Teil noch jungen Internet-Auftritte der Zeitungen, TV- und Radiosender: So drohte das Informationsministerium im Herbst 2002 mit der Schließung der Internet-Präsenz von "Ekho Moskwy". Grund für die Kritik: Der Radiosender hatte ein Interview mit einem tschetschenischen Rebellen ausgestrahlt, der im Moskauer Muscial-Theater Nord-Ost mehrere hundert Geiseln in seiner Gewalt hatte. Nach der blutigen Geiselnahme wurden die Anti-Terror-Gesetze weiter verschärft. Jeder Journalist, der über Tschetschenien oder über den Terrorismus berichtet, muss nun mit umbequemen Fragen rechnen.

Schärfere Gesetze

Politische Einflussnahme behindert die freie Berichterstattung nicht nur im Falle Tschetscheniens. Die Krise in der Kaukasusrepublik hat Staatspräsident Wladimir Putin wiederholt zum Anlass genommen, um schärfere Medienkontrollen durchzusetzen. Im vergangenen Jahr verabschiedete das russische Parlament ein Gesetz,
das staatliche Behörden ermächtigt, gegen "alle Formen von extremistischen Aktivitäten" - auch im Internet - vorzugehen. Das Gesetz stellt zudem jegliche Aktivität, die eine Gefährdung der "Sicherheit des Landes" zur Folge haben könnte, unter Strafe. Die Regierung hat sich so in die Lage versetzt nach Gutdünken kritische Berichte zu ahnden. Und dies ist sicher eine Frage der Auslegung.