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Schafft Kroatien den EU-Beitritt schon 2007?

Angela Göpfert8. Oktober 2005

14 Jahre nach der Unabhängigkeit ist das einstige Bürgerkriegsland Kroatien auf dem Weg in die EU. Experten rechnen mit einem Beitritt bereits in zwei Jahren - und betonen die Kraft der Perspektive für die ganze Region.

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In Zagreb weht schon die Fahne der EU neben der kroatischenBild: AP

Nachdem die EU am Montag (3.10.2005) offizielle Beitrittsverhandlungen mit Kroatien aufgenommen hat, kann jetzt alles ganz schnell gehen. Die EU-Kommission beginnt noch in diesem Monat mit den technischen Vorbereitungen für die eigentlichen Detailverhandlungen. Für die Abgleichung kroatischer Rechtsvorschriften mit EU-Recht wurde eine erste Arbeitssitzung für den 20. Oktober angesetzt.

Carla Del Ponte spricht Kroatien frei
Premierminister Sanader und UN-Chefanklägerin Del PonteBild: AP

Während Experten im Falle der Türkei mit langwierigen Verhandlungen von 10 bis 15 Jahren rechnen, hält Franz-Lothar Altmann, Balkan-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, einen EU-Beitritt Kroatiens bereits in anderthalb bis zwei Jahren für möglich. So optimistisch ist selbst der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader nicht: Er hofft, dass der Beitritt seines Landes 2008 erfolgen kann.

Kroatien ist "bekömmlicher" als Türkei

Kroatien sei "mit wesentlich weniger Problemen behaftet" als die Türkei und daher für die EU leichter zu "verdauen", erklärt Altmann seinen Optimismus. Das Balkanland sei wirtschaftlich stabiler und auch der Aufbau demokratischer Institutionen deutlich weiter vorangeschritten.

Dr. rer. pol. Franz-Lothar Altmann
Balkan-Experte Franz-Lothar Altmann

Den größten Gesprächsbedarf sieht Altmann allerdings bei der kroatischen Rechtssprechung und der Verschleppung von Gerichtsverfahren. Tatsächlich war der Beginn der Beitrittsgespräche erst möglich geworden, nachdem UN-Chefanklägerin Carla del Ponte den kroatischen Behörden "vollständige Zusammenarbeit" mit Den Haag bescheinigte hatte. Der ursprünglich bereits für März 2005 geplante Verhandlungsbeginn war wegen mangelnder Kooperation Zagrebs auf Eis gelegt worden.

Eine Perspektive für die ganze Region

Blick auf die Altstadt von Dubrovnik.jpg
Die europäischen Touristen sind ohnehin schon da: DubrovnikBild: dpa

Dabei geht Kroatien durchaus selbstbewusst in die Verhandlungen mit der EU. Am Samstag (8.10.2005) feiert Kroatien seinen 14. Unabhängigkeitstag: Dank dieses großen Schritts hin zur Eigenstaatlichkeit werde Kroatien innerhalb der EU wesentlich souveräner agieren, als wenn es mit dem Bewusstsein anträte, nur "das adoptierte Kind einer ex-jugoslawischen Familie zu sein", prognostiziert Balkan-Experte Altmann.

Doch die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien bietet auch den anderen Kindern der ex-jugoslawischen Staaten-Familie eine Perspektive: "Dass selbst ein Land, das aktiv in den Bürgerkrieg verwickelt war, Beitrittsverhandlungen mit der EU aufnimmt, bedeutet ein positives Signal für die gesamte Region", ist Kristof Gosztonyi überzeugt. Der Südosteuropa-Experte war lange Zeit für das Büro des Hohen Repräsentanten (OHR) in Bosnien und Herzegowina tätig. "Für den Balkan ist die EU-Perspektive der alles überragende Stabilitätsanker", unterstreicht auch Altmann.

Mazedonien ist nächster Beitrittskandidat

Galerie EU Erweiterung Italien Grenze zu Slowenien
Wie hier in Slowenien dürften die EU-Grenzen bald schon in anderen Ländern Ex-Jugoslawiens fallenBild: AP

In diesem Zusammenhang sind auch die ebenfalls am vergangenen Montag beschlossenen Verhandlungen der EU mit Serbien und Montenegro über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zu sehen. Ein solches Abkommen gilt als Vorstufe für spätere Verhandlungen über eine Mitgliedschaft. Während mit Bosnien und Herzegowina sowie Albanien die Verhandlungen stocken, wird bereits für November 2005 eine Entscheidung der EU zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien erwartet. Von den Staaten des früheren Jugoslawiens hat bisher nur Slowenien den Sprung in die EU geschafft.

EU müsste erst interne Probleme lösen

Doch es stellt sich auch die Frage, ob die EU überhaupt auf eine weitere Vergrößerung der Gemeinschaft eingestellt ist. Mit der Aufnahme der Türkei, Kroatiens und weiterer Nachfolgestaaten Jugoslawiens würde die Zahl der EU-Mitglieder auf über 30 steigen. Dabei ist nach wie vor völlig unklar, wie es mit der europäischen Verfassung weitergehen soll. Kritiker sehen daher bei der Aufnahme neuer Mitglieder die Gefahr, dass sich die politische Union in eine vage Freihandelszone auflösen könnte.

"Auch wenn ein kleines Land wie Kroatien nicht mehr den großen Unterschied macht: Es ist endlich an der Zeit, sich Gedanken über die Durchführung politischer Integrationsmaßnahmen zu machen", fordert SWP-Experte Altmann.