1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Scharfe Kritik an chinesischer Justiz

26. Dezember 2009

Die Verurteilung des chinesischen Bürgerrechtlers Liu Xiaobo zu elf Jahren Haft hat international Empörung ausgelöst. Auch Bundeskanzlerin Merkel zeigte sich "bestürzt". Liu will Berufung gegen das Urteil einlegen.

https://p.dw.com/p/LDff
Liu Xiaobo auf einem Plakat (Foto: AP)
Forderte Reformen: Liu XiaoboBild: AP

"Ich bedauere, dass die chinesische Regierung trotz großer Fortschritte in anderen Bereichen die Meinungs- und Pressefreiheit immer noch massiv einschränkt", erklärte Angela Merkel. Außenminister Guido Westerwelle erinnerte daran, dass China den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet habe, der die grundlegenden Menschenrechte garantiere. Für die Europäische Union protestierte die schwedische Ratspräsidentschaft. Das Urteil verstärke die Sorge um das Recht auf freie Meinungsäußerung und einen fairen Prozess in China, hieß es aus Brüssel. Ähnlich äußerten sich die Regierungen der USA und zahlreicher weiterer Länder.

"Normen grob missachtet"

Navi Pillay (Archivfoto: dpa)
Navi Pillay: "Rückschlag für Grundrechte in China"Bild: picture-alliance/dpa

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, sprach von einem ernsten Rückschlag für die Grundrechte in China. Die südafrikanische Juristin wertete die "extrem harte Strafe" für Liu Xiaobo als weitere schwere Beschränkung der Meinungsfreiheit. Das Urteil sei der jüngste Hinweis auf ein harsches Vorgehen gegen Intellektuelle, Anwälte und Journalisten, deren Rolle in China gewachsen sei.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International betrachtet das Urteil als ein Exempel, das an Liu statuiert werden soll. "Dieses Urteil ist politisch gewollt", sagte der China-Experte der deutschen Amnesty-Sektion, Dirk Pleiter. "Das hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun." Internationale Normen für ein faires Verfahren seien grob missachtet worden. Offenbar sei es Ziel, andere Menschenrechtsverteidiger abzuschrecken. Human Rights Watch erklärte, das Urteil gegen den Dissidenten sei "eine explizite Warnung" und zeige, dass China im kommenden Jahr verstärkt gegen Menschenrechtsaktivisten vorgehen wolle. Peking wolle Kritiker gerichtlich mundtot machen, meinte die Organisation "Chinesische Verteidiger der Menschenrechte".

Neuer Prozess?

Liu Xia (Foto: AP)
Ehefrau in Sorge: Liu XiaBild: AP

Lius Frau Xia kündigte an, ihr Mann werde Berufung beantragen. Ein milderes Urteil in der nächsten Instanz gilt allerdings als unwahrscheinlich. Am Freitag (25.12.2009) war Liu, der bereits seit einem Jahr in Haft sitzt, von einem Gericht in Peking zu einer elfjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden - wegen "Aktivitäten zur Untergrabung der Staatsmacht". Es ist eines der härtesten Urteile in den vergangenen Jahren gegen einen chinesischen Dissidenten, der lediglich friedlich seine Meinung äußerte. Die Strafe wurde nach einem Schnellprozess hinter verschlossenen Türen verhängt, der keine drei Stunden dauerte. Westliche Journalisten oder Prozessbeobachter waren nicht zugelassen.

"Staatsfeind Nummer eins"

Liu Xiaobo, der am 18. Dezember 54 Jahre alt wird, gilt als einflussreichster Regimekritiker in China. Er ist Hauptinitiator der "Charta 08". Das von chinesischen Intellektuellen ausgearbeitete Manifest war am 10. Dezember 2008 anlässlich des 60. Jahrestags der Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte veröffentlicht worden. Der Name "Charta 08" ist eine Anlehnung an die berühmte "Charta 77", mit der in den 1970er Jahren Dissidenten in der Tschechoslowakei Kritik an der kommunistischen Führung übten.

Protest gegen Urteil in Hongkong (Foto: AP)
Hongkong, 25.12.2009: Demonstranten fordern die Freilassung von Liu XiaoboBild: AP

Zunächst unterstützten 300 Oppositionelle die "Charta 08", inzwischen ist die Zahl der Unterzeichner auf mehr als 10.000 angestiegen. "China hat viele Gesetze, aber keine Rechtsstaatlichkeit", heißt es in dem Dokument. "Es hat eine Verfassung, aber keine verfassungsmäßige Regierung." Die Führung des Landes klammere sich an ihre "autoritäre Macht" und bekämpfe "jeden Schritt zu einem politischen Wandel". Gefordert werden in der "Charta 08" Meinungs- und Redefreiheit sowie die Freiheit der akademischen Lehre, Gewaltenteilung, Demokratie und eine neue Verfassung. "Wir sollten mit der Praxis brechen, Worte als Verbrechen anzusehen", erklären die Autoren.

Ähnlich dem Vorbild Südafrikas...

...nach dem Ende der Apartheid regt die "Charta 08" die Einrichtung einer Wahrheitskommission an, die politische Repressionen der Vergangenheit aufarbeiten und sich für die Entschädigung der Opfer einsetzen soll. Als politisches System schlägt das Manifest eine "föderative Republik" vor. Das würde auch mehr Rechte für Minderheiten bedeuten.

Zudem ruft das Manifest dazu auf, den Vorwurf der "Untergrabung der Staatsmacht" aus dem Strafgesetz zu streichen - gerade unter diesem Anklagepunkt wurde Liu der Prozess gemacht.

Autor: Christian Walz (epd, dpa, afp, ap)
Redaktion: Hans Ziegler