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Schattenboxen in Warschau

Markus Frenzel6. Mai 2004

Die "Koalition der Willigen" scheint weiter zu bröckeln. Der neue polnische Ministerpräsident Marek Belka plant nach Zeitungsberichten einen Rückzug polnischer Truppen aus dem Irak.

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Werden die polnischen Soldaten im Irak abgezogen?Bild: AP

Die Meldung kam völlig überraschend und irritierte die besten Polen-Kenner so sehr, als hätte ihnen jemand Salz anstatt Zucker in den Morgenkaffee gestreut. Nach Informationen der Warschauer Tageszeitung "Zycie Warszawy" hat Neu-Ministerpräsident Marek Belka (SLD) in einem Hintergrundgespräch bei der Arbeiterunion angekündigt, er werde die 2500 polnischen Soldaten aus dem Irak abziehen. Gerade einige Tage nachdem es ein deutliches Dementi der Regierung in Warschau gegeben hatte, dass genau dies nicht eintreten werde.

"Es wird nicht so heiß gegessen, wie die Suppe aufgetischt wird", reagierte Kai-Olaf Lang, Polen-Fachmann der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Belka selbst habe sich später darauf festgelegt, dass es für die Ankündigung keinen konkreten Zeitpunkt gebe. Vielmehr gelte weiterhin die polnische Staatsräson: "Wir können keinen plötzlichen Rückzieher machen." Zwar sei der Einsatz der polnischen Truppen im Mittleren Osten selbst in der linken Regierungskoalition umstritten. "Aber es gibt keinen spanischen Effekt", meinte Lang, "dass mit einem neuen Ministerpräsidenten der politische Kurs herumgerissen wird".

Taktische Spiele

Für den SWP-Experten ist die Ankündigung innenpolitisch motiviert. "Belka hat im Parlament kein stabiles Fundament", sagte Lang. Damit er in einigen Tagen von den Abgeordneten des Sejm als Ministerpräsident bestätigt wird, müsse er nun auf Stimmenfang gehen. "Er mag sich erhoffen, so die eine oder andere unentschlossene Stimme auf seine Seite zu ziehen." Letztlich sei Polen jedoch daran interessiert, "elegant" aus dem Irak herauszukommen. Dazu dürfe es von den Amerikanern nicht als illoyaler Partner wahrgenommen werden, gleichzeitig aber nicht zu sehr in die Probleme der Besatzer verwickelt werden.

Schon seit einiger Zeit habe die polnische Regierung erkannt, dass sie mit ihrem Kurs in der internationalen Politik anscheinend die "falsche Philosophie" gewählt hat, beobachtete Dieter Bingen, Chef des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt. "Das Ganze war ein bißchen riskant gewesen", beschrieb Bingen die enge Verknüpfung der polnischen mit der amerikanischen Gangart in den Irak. Einige kurzfristige Ziele hätten die Polen zwar erreicht. Etwa dass sie von den Großen in der EU "weniger onkelhaft oder paternalistisch" behandelt würden. Insgesamt sei das Instrument der Blockadepolitik aber schlecht gewählt gewesen, meinte der Polenexperte. Als Konsequenz lasse sich nun ein gewisser Umkehrkurs erkennen. "Das ist eine Andeutung dafür, dass es ein Bedürfnis gibt, sich wieder im europäischen Mainstream zu befinden", sagte Bingen.

Für Briten schmerzhaft

Ihr Irak-Engagement definitiv abgebrochen haben bislang erst die Spanier. In deren Windschatten beorderte noch die Regierung von Honduras ihren kleinen Trupp von einigen Hundert Mann zurück. "Dass die Spanier abgezogen sind, ist nicht so schlimm", meinte Lutz Holländer, Sicherheitsexperte der SWP. "Der Abzug der Polen tut aber schon weh, da sie ein Kommando haben. Es tut vor allem den Briten weh. Die müssen die Lücke schließen."

Sollten die Polen wirklich ernst machen mit ihrer Ankündigung, dann müssten die fehlenden 2500 Soldaten vor allem von den Briten ersetzt werden. Vorausschauend haben die bereits beschlossen, ihr Kontingent um 4000 Soldaten aufzustocken - von derzeit 8000 auf 12.000 Mann. Nicht sonderlich bemerkbar machen dürfte sich ein polnischer Abzug jedoch für die Amerikaner. "Im Vergleich zu 120.000 Amerikanern ist die Anzahl der polnischen Soldaten vernachlässigbar", sagte Holländer.