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Schutz für den Schutzwall gesucht

7. Februar 2004

Das größte Bauwerk der Erde ist wegen Baufälligkeit gesperrt: Seit 1. August 2003 ist nur noch ein kleiner Teil der Chinesischen Mauer offiziell zugänglich. Der Rest wird weitgehend sich selbst überlassen.

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Die Chinesische Mauer schlängelt sich wie ein Lindwurm durch ChinaBild: AP

Die Chinesische Mauer hat drei Feinde: Millionen von Touristen, gierige Investoren und den Lauf der Geschichte. "Nur ein Drittel der 6350 Kilometer langen Mauer gibt es noch", berichtet die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua Ende Januar 2004. "Der Tourismusboom und die Landschaftsentwicklungspläne machen der Mauer zu schaffen. Für Schutzmaßnahmen ist kein Geld da." Kontrollteams finden immer neue Lücken in der Mauer.

Halbherzige Behörden

Chinesische Mauer
Bild: AP

"Die Große Mauer ist aufgrund ihrer Einzigartigkeit zum nationalen Symbol für China geworden", erklärt Karl-Heinz Pohl, Sinologe an der Universität Trier. Doch der Erhalt ist ein Mammutprojekt - und gehört nicht unbedingt zu den Prioritäten der chinesischen Regierung.

"Zur Zeit der Kulturrevolution des Mao Tse-Tung hat das Land Schindluder getrieben mit seinem kulturellen Erbe", sagt Pohl. "Und heute fehlt dem neureichen China ein wenig der Sinn dafür." Wird der Verfall der Mauer allzu offenkundig, gibt es Hauruck-Aktionen: Ein kleiner Teil, nämlich das rund 650 Kilometer lange Stück nördlich der Hauptstadt Peking, steht seit kurzem gesetzlich unter Schutz.

Zu wenig Geld für Kultur

Chinesische Mauer
Bild: AP

Bereits vor zehn Jahren wurden regionale Kontrollbehörden eingerichtet, deren Mitarbeiter sich um den Zustand der Mauer in ihrem Gebiet kümmern sollen. Allerdings sind sie schlecht ausgestattet: Gerade einmal drei Leute sind für je 160 Kilometer Mauer zuständig, berichtet die englische Tageszeitung "The Guardian" (27.1.03).

Das Jahresbudget der drei Kontrolleure beträgt umgerechnet etwas mehr als 200 Euro. "Der Schutz der Chinesischen Mauer ist ein langer Prozess, der viele Provinzen und viele Behörden umfasst", erklärt Frau Zao von der chinesischen Botschaft in Deutschland.

Direkte Vermarktung

Weite Teile der Mauer werden von nichts und niemandem vor Wildwuchs geschützt. "Die Chinesen verwalten ein riesiges Land mit riesigen Problemen", gibt Pohl zu bedenken. "Wenn sie an dem einen Ende anfangen, vernachlässigen sie zwangläufig das andere." An vielen Stellen der Chinesischen Mauer können Wanderer und Touristen ungestört Steine herausbrechen und sie als Souvenirs mit nach Hause nehmen. Pflanzen überwuchern die Anlagen, Wind und Wetter tun ein übriges. Außerdem ist es chic, kilometerweit auf der Mauer entlang zu wandern oder sie zu befahren. Selbst Graffitisprüher machen vor ihr nicht Halt.

Investoren ohne Skrupel

Leere chinesische Mauer
Ein Mann auf dem leeren Abschnitt der Chinesischen Mauer bei BadalingBild: AP

Wer sich als "Mauerspecht" erwischen lässt, der muss allerdings mit empfindlichen Geldbußen rechnen. Doch das Verbot ist eher halbherzig: Der Vermarktung der besonders eindrucksvollen Mauerabschnitte tut es keinen Abbruch. An diesen Stellen profitieren eindeutig die Investoren und nicht unbedingt das Bauwerk vom Besucheransturm.

Bekanntestes Beispiel ist das Stück Mauer am Badaling-Pass: Die drei Kilometer werden von Beijing Enterprises, einer Firma, die an der Börse von Hong Kong notiert ist, als Freizeitpark mit Shopping Mall vermarktet. Rund zehn Millionen Besucher kommen jährlich dorthin und fahren Go-Cart auf der Mauer, essen am Stand von "Kentucky Fried Chicken" ihr Fastfood und lassen sich mit Kamelen und lebensgroßen Plakaten von Mao Tse-Tung fotografieren.

Ingun Arnold

Lesen Sie in "Chinesische Mauer wird zum Schweinestall", was der Mauer besonders zu schaffen macht.