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Schwarz-Gelb peilt Steuerreform an

19. Oktober 2009

Union und FDP kommen einer Einigung näher und versprechen rasche Steuersenkungen. 2010 sollen die Steuern der Unternehmen sinken - 2011 auch die der Bürger. Wie das genau finanziert werden soll, wird noch diskutiert.

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Westerwelle, Merkel und Seehofer im Portrait (Foto: dpa)
Sie streiten sich um den zukünftigen Weg in der BundesregierungBild: picture-alliance/ dpa

Um die finanziellen Eckpunkte der zukünftigen Union/FDP-Regierung wird in Berlin schwer gerungen. Die Fragen sind deshalb so schwer zu beantworten, weil die finanzielle Lage des Staates noch nie so schwierig war, seit die Bundesrepublik existiert. Trotzdem: Die angekündigten Steuerentlastungen durch Unionsparteien und FDP nehmen Gestalt an. Wie der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer am Montag (19.10.2009) mitteilte, sollen im kommenden Jahr zunächst die Steuern der Unternehmen gesenkt werden - und von 2011 an auch die der Bürger. Darüber bestehe Einigkeit in den Koalitionsverhandlungen mit der FDP in Berlin. Einzelheiten nannte Seehofer nicht.

Defizite drohen in den Sozialkassen

Mann vor einer Agentur für Arbeit (Foto: AP)
Bei den Arbeitsagenturen soll gespart werdenBild: AP

Über den Umfang der Steuerentlastungen sollen die Koalitionsspitzen am Mittwoch endgültig entscheiden. Einvernehmen besteht in Berlin offenbar auch darüber, dass trotz der drohenden Defizite in den Sozialkassen Unternehmen und Beschäftigte von höheren Beiträgen zur Sozialversicherung verschont bleiben. Bei der Finanzierung wird unter anderem daran gedacht, die Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu deckeln. Die Agentur soll dadurch stärker als bisher zum Sparen gezwungen werden.

Union und FDP wollen sich zudem möglichst mit einem Schlag von den Milliardendefiziten in der Arbeitslosen- und Krankenversicherung befreien. Ein Weg dazu könne ein dritter Nachtragshaushalt für 2009 sein, hieß es am Montag am Rande der Koalitionsverhandlungen. Dabei wird erwogen, die für die kommenden vier Jahre absehbaren Darlehen und Zuschüsse an die Kassen und die Bundesagentur für Arbeit in einem Fonds zu parken. Die Operation ist jedoch rechtlich umstritten.

Darlehen steht auf der Kippe

FDP-Parteichef Guido Westerwelle lächelt (Foto: AP)
FDP-Parteichef Guido Westerwelle hat gut lachenBild: AP

Nach der alten Finanzplanung der großen Koalition haben die Gesetzlichen Krankenkassen in den kommenden vier Jahren einen Zuschussbedarf von rund 53 Milliarden Euro, die BA von 56 Milliarden Euro. Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) sagte nach einer Sitzung der Finanzexperten von Union und FDP, fraglich sei, ob etwa die BA jährlich ein Darlehen erhalten müsse oder einmalig einen Gesamtbetrag.

In Parteikreisen hieß es, die Park-Lösung über einen Fonds hätte den politischen Vorteil, dass die neue Koalition gleich zu Beginn der Legislaturperiode die Altlasten der großen Koalition bereinigt hätte. "Wir könnten dann freier regieren", sagte ein Unterhändler. Ob die Operation gelingt, hängt von rechtlichen Fragen ab. Denn eigentlich schreibt das Grundgesetz vor, nur Ausgaben des Jahres festzuschreiben, für das der Etat gilt. Ein Ausweg könnte ein Sondervermögen des Bundes sein, das über mehrere Jahre angezapft würde. Beispiele dafür gibt es genug, etwa den Bankenrettungsfonds oder den Investitions- und Tilgungsfonds, in dem die Investitionen des Bundes im Rahmen des zweiten Konjunkturpaketes gebündelt sind. Unterhändler sagten, möglicherweise werde auch kein neuer Fonds gegründet, sondern der Investitions- und Tilgungsfonds als Instrument genutzt.

Nachtragshaushalt steht zur Debatte

Münzen und Scheine (Foto: dpa)
Die Kassen des Bundes sind gähnend leerBild: dpa

Fraglich ist auch, ob die neue Koalition einen dritten Nachtragsaushalt für 2009 aufstellen wird. Dies hätte den Vorteil, dass etwa die bisher nicht abgerufenen Gelder des Investitions- und Tilgungsfonds umgewidmet werden könnten. Er enthält 20,4 Milliarden Euro, die 2009 und 2010 abfließen sollen, zum Beispiel in kommunale Investitionsprogramme.

Mit einem solchen Buchungstrick würde die neue Koalition die absehbaren Finanzprobleme allerdings nur über mehrere Jahre strecken, aber nicht lösen. Denn der Fonds müsste überwiegend aus neuen Staatsschulden finanziert werden. Doch alleine wegen der neuen Schuldenbremse im Grundgesetz muss die künftige Regierung bis 2013 ein Haushaltsloch von rund 30 Milliarden Euro stopfen.

Doch: Die Löcher im Staatshaushalt sind nur zu stopfen, indem Ausgaben gekürzt werden. Im Detail bedeutet dies: Die Bürger müssen sich auf steigende Beiträge bei Krankenkassen, Pflege- und Arbeitslosenversicherung gefasst machen. Denn dort muss der Staat mit Steuergeldern nachhelfen, damit die sozialen Sicherungssysteme überhaupt lebensfähig sind.

Schlagabtausch zwischen Wulff und Westerwelle

Bei der Diskussion über die künftige Finanzpolitik kam es am Wochenende zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen dem CDU-Vize Christian Wulff und dem FDP-Chef Guido Westerwelle. Wulff verlangte von den Liberalen eine solide Gegenfinanzierung und Sparvorschläge, um Steuersenkungen zu finanzieren. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte, es dürfe keine Steuersenkungen geben, die nicht gedeckt seien.

In der Union regt sich inzwischen Unmut über den Verlauf der Gespräche. Ungeachtet der heißen Phase der Koalitionsverhandlungen mit der FDP mehrten sich am Wochenende die Stimmen, die nach einer raschen Aufarbeitung des schlechten Abschneidens von CDU/CSU bei der Bundestagswahl riefen. Die Junge Union forderte die "unverzügliche" Einberufung eines Bundesparteitags. Ein entsprechender Initiativantrag fand beim JU-Deutschlandtag in Münster breite Zustimmung. Der Parteinachwuchs forderte einen Kurswechsel in der Wirtschafts- und Steuerpolitik.

Bundesgerichtshof muss Online-Durchsuchungen billigen

Eine Festplatte in der Detailansicht (Foto: AP)
In Zukunft sollen Online-Durchsuchungen vom BGH abgesegnet werdenBild: AP

Indes sickerte durch, dass alle Streitpunkte im Bereich Innere Sicherheit aus dem Weg geräumt sind. Für Online-Durchsuchungen von Computern ist künftig die Genehmigung des Bundesgerichtshofs nötig. Die Methode bleibt dem Bundeskriminalamt vorbehalten. Telefon- und Internet-Verbindungsdaten werden weiter gespeichert, genutzt werden dürfen sie nur bei schweren Gefahren. Statt Internetsperren sollen Websites mit Kinderpornografie gelöscht werden.

Autor: Marcus Bölz (dpa/ap)

Redaktion: Dirk Eckert