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Streit gefährdet Iraks Verfassung

Peter Philipp1. August 2005

Am 15. August will der irakische Verfassungsrat im Parlament den Entwurf für eine Verfassung vorlegen. Der Text hat jedoch noch viele Ecken und Kanten, die die Verfassung am Ende scheitern lassen könnten.

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Die Liebe zur Fahne ist bei Iraks Soldaten schon daBild: AP

Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung für den Irak wird nicht nur von den Amerikanern als wichtiger Schritt bei der Normalisierung im Zweistromland betrachtet. Auch die Aufständischen und Terroristen, die eine solche Normalisierung verhindern wollen, haben sich auf die Verfassung "eingeschossen": Nachdem kürzlich zwei sunnitische Mitglieder des verfassungsgebenden Ausschusses ermordet wurden, versuchen die Gewalttäter, die Arbeit dieses Ausschusses durch neue Übergriffe zu behindern und zu verzögern.

Irak Präsident Talabani mit dem Premierminister Jaafari (li)
Gespräch über die geplante Verfassung: Iraks Präsident Jalal Talabani (r.) mit dem Premierminister Ibrahim Dschaafari (31.7.2005)Bild: AP

Der von den Amerikanern vorgelegte Zeitplan soll aber trotzdem eingehalten werden, wie am Montag (1.8.) bekannt wurde. Der Entwurf soll demnach Mitte August eingebracht werden. Eine weitere Verzögerung ist damit vom zuständigen Parlamentsausschuss verhindert worden.

Details ungeklärt

US-Botschafter Zalmay Khalilzad hatte am Wochenende alles daran gesetzt, eine Verzögerung zu verhindern und der kurdisch-irakische Staatspräsident Dschalal Talabani schloss sich ihm an: Der Zeitplan werde eingehalten, sagte er - und: Man werde den Gegnern keinen Vorwand geben, ihren Kampf zu intensivieren.

Strittige Punkte sind aber weiterhin Fragen des Föderalismus und der Religion: So bestehen die Kurden darauf, dass die weitgehende Autonomie ihrer nördlichen Provinzen geografisch ausgeweitet wird auf Kirkuk und einige andere - vor allem erdölreiche - Gebiete. Auch die Schiiten haben begonnen, eine größere Selbstständigkeit ihrer Provinzen im Süden zu verlangen. Beide wollen dadurch ihre Autonomie vergrößern, aber auch ihren Zugriff auf das Erdöl, das in ihren Gebieten gefördert wird.

Rückschritt hinter Saddam-Zeit

Ein weiterer strittiger Punkt ist die Rolle der Religion im Staat: Im Verfassungsentwurf war davon die Rede, dass der Islam "eine" Quelle der Gesetzgebung sein werde. Viele Schiiten hingegen fordern, den Islam zu "der" Quelle des Gesetzes zu machen und den Staat auf die Grundlage der "Scharia" zu stellen, des religiösen Gesetzes. In ihren eigenen Gebieten haben die Schiiten das auch bereits durchgesetzt, indem sie zum Beispiel konservative und restriktive Bestimmungen über die Rechte von Frauen verabschiedet haben. Oder indem sie - wie schon zu Zeiten der osmanischen Herrschaft - das Zivilrecht den verschiedenen Religionsgemeinschaften unterstellt haben.

Eine solche Gesetzgebung, ausgeweitet auf den gesamten Irak, würde einen gewaltigen Rückschritt bedeuten, denn das Land war jahrzehntelang trotz aller Unterdrückung durch die Diktatur Saddam Husseins von solchen religiös gefärbten Pressionen verschont geblieben.

Selbst wenn man sich allerdings aus Gründen der Staatsräson entschließen sollte, die vorgegebenen Termine für die Vorstellung und Verabschiedung der neuen Verfassung einzuhalten, so gibt es noch genug Möglichkeiten, diese zu Fall zu bringen: So ist vorgesehen, dass die Verfassung dann nicht in Kraft tritt, wenn sie in drei Provinzen nicht mit Zweidrittel-Mehrheit angenommen werden sollte. Sowohl die Kurden als auch die Schiiten kontrollieren drei Provinzen. Es wäre ihnen deswegen ein leichtes, den Verfassungsprozess scheitern zu lassen.