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TTIP ist (fast) tot - es lebe CETA!

Barbara Wesel, z. Zt. Bratislava23. September 2016

Die EU-Handelsminister räumen in Bratislava die letzten Streitpunkte beim Handelsabkommen CETA mit Kanada aus. Die TTIP-Gespräche mit den USA aber gelten quasi als gescheitert. Aus Bratislava Barbara Wesel.

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Ceta Demonstration Sigmar Gabriel Montage (Foto: Getty Images/O.Andersen)
Bild: Getty Images/O.Andersen

Für seine Verhältnisse war Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel geradezu leidenschaftlich: "CETA stellt die Menschen nach vorn und nicht nur den wirtschaftlichen Erfolg für wenige". Das Abkommen könne als Standard gelten für alle anderen Handelsverträge, es schaffe zum ersten Mal vernünftige Regeln für die Globalisierung und sei geradezu ein Beispiel dafür, wie man Welthandel gestalten könne, so der deutsche Wirtschaftsminister.

Erklärung soll Hindernisse ausräumen

Beim Abendessen am Donnerstag hatten die Minister mit ihrer kanadischen Kollegin Chrystia Freeland vereinbart, letzte Zweifel an dem fertigen Vertragstext auszuräumen. In einer rechtlich bindenden Erklärung wollen beide Seiten gesondert festhalten, dass u.a. Arbeitnehmerechte gewahrt bleiben, die Unabhängigkeit der Schiedsgerichte gesichert sei und es keinen Privatisierungszwang bei der öffentlichen Daseinsvorsorge gebe.

Damit sollen die Bedenken verschiedener sozialdemokratischer Parteien in der EU, etwa in der belgischen Wallonie und in Österreich, noch beseitigt werden. "Jetzt muss der Bundeskanzler Kern sehen, wie er da wieder raus kommt", spöttelte der österreichische Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner vom konservativen Koalitionspartner ÖVP bei der Sitzung in Bratislava. Auch Sigmar Gabriel hatte zuvor seiner Partei diese Nachbesserungen versprechen müssen, macht sich jetzt aber mit Nachdruck für das Abkommen stark.

Sigmar Gabriel SPD Bratislava CETA (Foto: picture-alliance/dpa/J.Gavlak)
Sigmar Gabriel verteidigt in Bratislava das CETA-AbkommenBild: picture-alliance/dpa/J.Gavlak

Der Fahrplan steht

Vor Inkrafttreten muss das Abkommen aber nocheinige Hürden überwinden. Am 18. Oktober wollen die Handelsminister den CETA Vertrag formell beschließen, Ende des Monats dann soll er von allen Mitgliedsländern auf dem EU-Kanada-Gipfel unterzeichnet werden. Danach folgen die Abstimmungen in 38 nationalen Parlamenten, ein Prozess der lange dauern kann.

Allerdings können die Teile des Abkommens, die in europäische Zuständigkeit fallen, schon Anfang des Jahres in Kraft treten. Dann nämlich will bereits das Europäische Parlament zustimmen. Der Vorsitzende im Handelsausschuss sieht dafür eine ordentliche Mehrheit. Er spricht von einem "guten Abkommen am Horizont". Nächster Schritt sei dann ein Dialog mit der Zivilgesellschaft, erklärt der Europaparlamentarier Bernd Lange weiter, sowie mit den Ausschüssen der nationalen Parlamente, um die Einzelheiten zu erörtern.

Slowakei Protesten vor dem EU-Handelsministerrat in Bratislava (Foto: dpa )
Beim Freihandel scheiden sich die Geister - auch in Bratislava gab es Demonstrationen gegen CETA und TTIPBild: picture-alliance/dpa/C. Thanei

Vorläufig wirksam werden können vor allem die Zollregelungen und die eigentlichen Handelsbestimmungen - die Vereinbarungen zu den Schiedsgerichten, zum geistigen Eigentum und einiges mehr werden erst nach der Zustimmung der nationalen Parlamente wirksam. Insgesamt hält auch der Sozialdemokrat Bernd Lange CETA für ein progressives, partnerschaftliches Abkommen. Die Kanadier hätten im Laufe der siebenjährigen Verhandlungen viel Geduld mit den Problemen der EU gezeigt, hieß es am Rande in Bratislava.

TTIP ist (fast) tot

"CETA und TTIP sind zwei paar fundamental andere Schuhe", sagt der Ausschussvorsitzende Bernd Lange. Die Verhandlungen mit den USA würden in absehbarer Zeit kein Ergebnis bringen, sie seien der EU kaum entgegengekommen. Sowieso müsse man jetzt erst die Wahlen abwarten: "Bei Trump ist TTIP sofort tot, bei Clinton muss man sehen, wie sie sich gegenüber Europa aufstellt." Lange ist dafür, die Verhandlungen im "Nachtschrank" verschwinden zu lassen, andere wollen sie auf "Eis" legen. Österreich, Frankreich und einige kleinere Länder fordern sogar, sie einfach zu beenden. "TTIP ist eine Metapher geworden für die Vorherrschaft der Großkonzerne", sagt der österreichische Wirtschaftsminister Mitterlehner dazu.

Er hält es auch für falsch, dem Kind einfach einen neuen Namen zu geben: "Ein Rebranding reicht nicht. Wir müssen die Spielregeln neu definieren, die Ziele, die Transparenz". Eine große Mehrheit der Mitgliedsländer aber stimmt der EU-Kommission zu: Sie will die Gespräche zunächst technisch fortsetzen, um wenigstens einige Erfolge festzuhalten. Klar sei jedoch, dass man mit der Obama-Regierung nicht zum Abschluss kommen wird. Mitte Oktober werden die Regierungschefs auf dem EU-Gipfel über Leben und Sterben von TTIP reden: Die Verhandlungen gelten zwar als quasi gestorben, einen Totenschein will bisher aber niemand ausstellen.