1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Umstrittene Null-Promille-Grenze

Jeanette Seiffert3. April 2014

Soll Alkohol am Steuer ganz verboten werden? Laut einer aktuellen Umfrage ist eine Mehrheit der Deutschen dafür. Auch Fachleute sprechen sich für niedrigere Promillegrenzen aus - doch die Politik zögert.

https://p.dw.com/p/1BaFK
Alkohol-Testgerät - Foto: Gero Breloer (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Ein Gläschen Wein zum Essen im Restaurant oder ein kühles Pils im Biergarten - und dann mit dem Auto nach Hause? Im Moment ist das in Deutschland kein Problem, solange die geltende Grenze von 0,5 Promille Alkohol im Blut nicht überschritten wird.

Doch immer wieder wird die Forderung erhoben, diese Grenze abzuschaffen und Alkohol am Steuer komplett zu verbieten - vorzugsweise von Parteien, die sich gerade in der Opposition befinden. Diesmal kam der Vorstoß aus den Reihen der Grünen: "Wir haben eine klare gesellschaftliche Akzeptanz für null Promille", sagte deren Verkehrsexperte Stephan Kühnen in einem Interview mit der "Saarbrücker Zeitung". Eine aktuelle Umfrage im Auftrag des Magazins "Stern" gibt ihm recht: Dabei haben sich 61 Prozent der Befragten für ein komplettes Alkoholverbot für Autofahrer ausgesprochen. Spontane Zustimmung kam auch von der anderen Oppositionspartei im Bundestag, der Linken.

Viele Experten zählen ebenfalls zu den Befürwortern einer deutlich niedrigeren Promillegrenze für Autofahrer: Weil ein großer Teil der Unfälle in Deutschland unter Alkoholeinfluss passiert, fordert zum Beispiel die Deutsche Verkehrswacht seit vielen Jahren eine 0,2-Promille-Grenze.

Angst vor dem Volkszorn?

Sympathie für eine solche Regelung zeigt auch Kirsten Lühmann, Verkehrsexpertin der mitregierenden Sozialdemokraten: "Wir brauchen eine gesellschaftliche Diskussion darüber", sagte sie der DW - um dann allerdings im gleichen Atemzug einzuschränken: "Ich glaube aber auch, dass man eine solche Regelung den Menschen nicht einfach überstülpen kann." Zudem sei eine rasche Umsetzung der Null-Promille-Grenze kaum möglich, da sie nicht im Koalitionsvertrag stehe.

Alexander Dobrindt und Angela Merkel auf dem Gillamoos-Volksfest - Foto: Peter Kneffel (dpa)
Alexander Dobrindt und Angela Merkel beim Volksfest in Niederbayern: Bierkonsum als Kulturgut?Bild: picture-alliance/dpa

In der Tat stellte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) postwendend klar, dass es bei der 0,5-Promille-Grenze bleiben werde. Und auch ein Teil der Grünen-Spitze ist mittlerweile zurückgerudert: "Die Grünen werden garantiert keinen Gesetzentwurf einbringen, der den Genuss einer Praline strafbewehrt macht", ließ Grünen-Chef Cem Özdemir in Berlin verlauten. Offenbar ist die Angst bei den Grünen groß, wieder einmal als "Verbots-Partei" zu gelten, die den Menschen vorschreiben will, wie sie zu leben haben - wie schon einmal im vergangenen Wahlkampf mit dem Vorschlag, einen "Veggie-Day" in öffentlichen Kantinen einzuführen.

Besonders beim Thema Null-Promille-Grenze scheint der Respekt der Politiker vor dem Zorn der Öffentlichkeit groß zu sein. "Da befürchten viele, dass das eben doch nicht gesellschaftsfähig ist und trotz der einen oder anderen Umfrage vielleicht doch einige erbost wären", vermutet Oliver Malchow, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Dennoch halte die GdP eine klare Null-Promille-Grenze für sinnvoll. Während jetzt jeder Autofahrer rätseln müsse, ob zwei Gläser Bier oder ein Schnaps vielleicht schon zu viel seien, herrsche dann für alle Klarheit: "Fahren nur ohne Alkohol!" Untersuchungen hätten gezeigt, so Malchow, dass zumindest ab 0,5 Promille im Blut Konzentration und Reaktionsfähigkeit erheblich abnehmen. Zudem reagiere jeder Mensch je nach Konstitution und Umständen unterschiedlich auf Alkohol.

Höhere Dunkelziffer statt Verhaltensänderung

Allerdings hat Polizeigewerkschafter Malchow Zweifel, dass sich ein komplettes Alkoholverbot für Autofahrer in der Praxis durchsetzen lässt: "Schon heute ist es so, dass wir eigentlich nicht genug Personal haben, um bei den Verkehrskontrollen wirklich diejenigen zu erwischen, die gegen Fahrverbote verstoßen." Vermutlich werde also vor allem die Zahl derjenigen steigen, die sich trotz Verbots unter Alkoholeinfluss hinters Steuer setzen. "Denn es ist eher unwahrscheinlich, dass wir die Gewohnheiten der Menschen ändern werden", glaubt der GdP-Vorsitzende. Schließlich gehöre der Alkoholkonsum in Deutschland zum Alltagsleben und sei auch Teil der Kultur - besonders in Weinanbaugebieten oder in Gegenden mit einer großen Bierbrautradition.

Oliver Malchow - Foto: Immel (GdP)
GdP-Vorsitzender Oliver Malchow: Der Wille ist da, aber das Personal fehltBild: GdP/Immel

Das ist sicherlich auch in anderen europäischen Ländern der Fall - dennoch haben einige von ihnen mittlerweile zu härteren Gesetzen gegriffen. Vor allem in osteuropäischen Ländern wie Ungarn oder Tschechien gilt sei Längerem die Null-Promille-Grenze. In beiden Ländern drohen bereits bei geringem Alkoholkonsum hohe Geldstrafen, in Ungarn bis zu 980 Euro.

Erst pusten, dann fahren?

Polen, das für einen hohen durchschnittlichen Alkoholkonsum bekannt ist, geht im Kampf gegen Alkoholfahrten sogar noch einen Schritt weiter: Damit die geltende 0,2-Promille-Grenze auch wirklich eingehalten wird, muss dort bis 2015 in jedem Auto ein sogenannter "Alkomat" eingebaut werden. Mit dessen Hilfe kann sich jeder Autofahrer vor Fahrantritt leicht überzeugen, ob er die erlaubte Grenze überschritten hat. Allerdings schreibt das Gesetz bisher noch nicht vor, dass man das Gerät auch benutzen muss. Auch in Frankreich ist seit einiger Zeit vorgeschrieben, dass in jedem Auto ein Alkohol-Schnelltester vorhanden sein muss.

Verkehrskontrolle in Blanensko in der Tschechischen Republik - Foto: Igor Zehl (CTK)
Verkehrskontrolle in Tschechien: Strengere Regeln im AuslandBild: picture-alliance/Igor Zehl

Entscheidend sei am Ende das gesellschaftliche Bewusstsein, sagt Oliver Malchow von der Gewerkschaft der Polizei. Ein Alkoholverbot am Steuer sei gesellschaftlich vielleicht doch leichter durchsetzbar, als man denkt, "einfach weil sich die Leute daran gewöhnen."