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Umweltfreundliche, faire Computer?

Irene Quaile, Hilke Fischer (Übersetzung)8. Juli 2014

Fair gehandelter Kaffee, nachhaltige Möbel, Teppiche ohne Kinderarbeit - aber was ist mit der Büroausstattung? Niclas Rydell, Direktor der schwedischen TCO-Zertifizierungsstelle für IT-Produkte, im DW-Interview.

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Niclas Rydell Foto: axicom
Bild: axicom

DW: Herr Rydell, was zeichnet ein nachhaltiges IT-Produkt aus?

Niclas Rydell: Ein nachhaltiges Produkt muss ergonomisch und sicher zu benutzen sein. Es sollte nicht allzu schädlich für die Umwelt sein, und man muss auf die sozialen Aspekte bei der Produktion achten. Man möchte schließlich kein Produkt, das die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder die UN-Kinderechtskonvention verletzt.

Wie funktioniert die TCO-Zertifizierung?

Wir unterzeichnen einen Lizenzvertrag mit dem Markeninhaber. Darin verpflichtet er sich, eine Reihe von Kriterien einzuhalten und stimmt Konsequenzen bei Nichteinhaltung zu. Im schlimmsten Fall wird ihm die Lizenz wieder entzogen. Dann schickt der Markeninhaber das Produkt an ein Testlabor und dort wird es zertifiziert. Wir sind also nicht diejenigen, die entscheiden, ob ein Produkt den Test besteht - das Labor arbeitet unabhängig und hat selbst keinen Vorteil davon, wenn ein Produkt den Kriterien entspricht oder wenn es durchfällt. Wenn es den Kriterien entspricht, dann muss der Markeninhaber einem unabhängigen Prüfer in eine seiner Fabriken lassen. Der beurteilt, ob die Arbeitsbedingungen dort in Ordnung sind und nicht gegen nationales oder internationales Recht verstoßen. Dann erst zeichnen wir das Produkt mit dem TCO-Prüfsiegel aus.

Welche Umwelt-Kriterien sind für die Zertifizierung relevant?

Die Produktionsanlage muss entsprechen der Umweltmanagement-Norm ISO 1401 zertifiziert sein. Außerdem darf das Produkt selbst keine gefährlichen Chemikalien enthalten oder andere Stoffe, die die Natur belasten würden, wenn es verbrannt oder nicht korrekt recycelt wird. Das Produkt muss einfach zu recyceln sein. Dafür muss sichergestellt werden, dass es sich leicht in kleine Teile auseinanderbauen lässt und dass auf jedem Plastikteil steht, was für eine Art Plastik das ist - dadurch lassen sich die Einzelteile beim Recycling besser sortieren. Die Verpackung sollte ebenfalls wiederverwertbar sein und keine gefährlichen Chemikalien enthalten. Außerdem muss das Gerät einen geringen Energieverbrauch haben.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Lebensdauer des Produkts. Wenn man es ein Jahr länger benutzen kann, dann hat das bereits einen enormen Nutzen für die Umwelt. Das ist ein Aspekt, den viele Menschen nicht bedenken. Wir von TCO haben die Kriterien für Umwelt und Leistung verbunden, sodass ein zertifiziertes Produkt hochwertig ist und viele Jahre lang genutzt werden kann. Wir haben zum Beispiel überprüft, ob die Bildqualität von Displays so ist, dass das Licht hell genug ist, die Farben und der Blickwinkel gut sind und man den Monitor auch nach fünf Jahren noch benutzen kann und sich keinen neuen kaufen muss. Außerdem muss es möglich sein, Ersatzteile für das Produkt kaufen und es reparieren zu können, wenn es kaputt geht. Der Markeninhaber muss eine Garantie für mehrere Jahre anbieten.

Welche Rolle spielt die Europäische Union bei der Förderung von nachhaltigen IT-Produkten?

Die EU hat eine neue Anschaffungsrichtlinie erlassen, die es Einkäufern in Europa leichter macht, eine Zertifizierung anzufordern, als Beweis für nachhaltigere Produkte. Ein Einkäufer, der ein nachhaltiges Produkt erwerben will, kann entweder alles zu dem Thema selbst recherchieren oder ein Prüfsiegel fordern. Der Vorteil ist, dass er dann nicht alles selber wissen und jedes Jahr Kontrollen durchführen muss. Das europäische Recht sieht vor, dass Prüfstellen wie TCO einem diese Arbeit abnehmen können. Die EU hat diesen Vorteil verstanden und erleichtert nun die Nutzung von Zertifizierungen.

Viele der Produkte werden außerhalb der EU gefertigt. Finden die Kriterien trotzdem Anwendung?

Ja. Wir arbeiten seit 20 Jahren mit Markeninhabern in der IT-Branche zusammen. In der Zeit haben wir im Umweltbereich viel erreicht. Jetzt bemühen wir uns, die sozialen Bedingungen der Produktion zu verbessern. Wir haben ein Netzwerk von Vertretern des oberen Managements aufgebaut, die für die Arbeitsbedingungen in den Fabriken zuständig sind. Mit ihnen zusammen haben wir die Möglichkeit, die Situation der Arbeiter zu verbessern. Wir haben damit im Jahr 2012 angefangen und inzwischen gehören 17 große IT-Firmen dem Netzwerk an.

Die Nachfrage nach einer Zertifizierung der Sozialstandards im IT-Bereich ist hoch. Man kann heutzutage fair gehandelte Kaffeebohnen, Kleidungsstücke, Bananen und Schokolade kaufen, aber in Sachen IT sieht es mau aus. Das TCO-Prüfsiegel ist weltweit nutzbar. So kann etwa die Unternehmenszentrale in Deutschland die Entscheidung treffen, und alle Zweigstellen, sei es in den USA, in Indien oder anderswo in Asien, werden TCO-zertifizierte Produkte benutzen. Rund 50 Prozent aller weltweit produzierten Displays haben das TCO-Prüfsiegel. TCO ist das einzige globale Siegel, das soziale Kriterien für IT-Produkte berücksichtigt. Deswegen ist die Nachfrage in einigen Ländern sehr hoch, besonders in Deutschland und Schweden. Dabei geht es vor allem um Büro-Ausstattung, aber wir arbeiten auch an mobilen Produkten. Je größer hier die Nachfrage nach zertifizierten Produkten ist, desto mehr Markeninhaber werden sich bereiterklären, ihre Produkte zertifizieren zu lassen.

Das TCO-Prüfsiegel wird von der schwedischen Gewerkschaft TCO vergeben. Niclas Rydell ist Direktor für den Bereich Zertifizierung bei TCO Development.

Das Interview führte Irene Quaile.