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Wasserverschmutzung

25. Februar 2009

In Südafrikas Industrieregionen herrschte über ein Jahrhundert der "Wilde Westen". Bergbau- und Industrieinvestoren verdienten hier schnelles Geld. Um ihren Schmutz haben sie sich nicht gekümmert. Mit fatalen Folgen.

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Algenbrühe im Vaal RiverBild: Thomas Kruchem

Peter Ashton, Wasserexperte am staatlichen Forschungsinstitut CSIR in Südafrikas Hauptstadt Pretoria, schlägt Alarm. Die Gesundheit von Millionen Südafrikanern, sagt er, sei akut bedroht – weil ihr Trinkwasser extrem belastet sei mit Schwermetallen, Chemikalien und natürlichen Giften. Besonders betroffen: die Industrieprovinz Gauteng. Hier zahle man jetzt die Rechnung für über hundert Jahre weitgehend unkontrollierten Bergbaus.

Radioaktives Wasser aus dem Untergrund

Durch Gold- und Uranbergbau sei im Untergrund der Provinz Gauteng sehr viel Gestein freigelegt worden, erklärt Ashton. Dieses Gestein enthalte Pyrit, eine Verbindung aus Eisen und Schwefel, die sich beim Kontakt mit Luft in Schwefelsäure verwandle. Außerdem würden Schwermetalle freigesetzt: Blei, Zink; Uran. Immer häufiger werde nun Uran im Wasser von Flüssen gefunden, sagt der Wasserexperte; vor allem deshalb, weil zahlreiche Bergwerke in Gauteng inzwischen stillgelegt wurden. "Es wird kein Wasser mehr aus den Schächten gepumpt; chemische Reaktionen laufen völlig unkontrolliert ab und irgendwo tritt das Wasser aus dem Berg. Westlich von Johannesburg sind es schon heute täglich 40 Millionen Liter schwermetallverseuchtes Wasser."

Doch damit nicht genug. Die Industrie von Gauteng, die zehn Prozent des afrikanischen Sozialprodukts erwirtschaftet, reinigt ihre Abwässer völlig unzureichend, zwei Drittel der kommunalen Kläranlagen sind überlastet und die veralteten Anlagen erfassen manche Giftstoffe erst gar nicht. Außerdem geraten viele Nährstoffe wie zum Beispiel Phosphate, in Flüsse und Stauseen. Dort schaffen sie ein ideales Klima für die Blüte der gefürchteten Blaualgen.

Tödliches Algengift

"Blaualgen sind giftig", erklärt Peter Ashton. "Ihr Gift, das konventionellen Kläranlagen widersteht, kann Gen- und Zellstrukturen verändern. Es erzeugt in Versuchstieren regelmäßig Leberkrebs und bedroht auch die menschliche Gesundheit massiv."

Dieses Gift – es heißt Mikrozystin – werde bei Schadstoffmessungen nur selten erfasst, berichtet Anthony Turton, ein Freund und Kollege Ashtons. Warum solle man etwas messen, laute die gängige Meinung, wenn man es mit gängigen Methoden doch nicht aus dem Wasser entfernen könne. Ein Problem werde so verdrängt, kritisiert Turton, das tatsächlich höchster Aufmerksamkeit bedürfe: "In Ländern wie Finnland hält man schon zehn Mikrogramm Mikrozystin pro Liter Wasser für bedenklich. Im Wasser unserer Stauseen aber werden bis zu 16.000 Mikrogramm pro Liter gefunden – mit steigender Tendenz."

Weil er die Öffentlichkeit informiert, wurde Turton inzwischen von seinem Arbeitgeber, dem CSIR, gefeuert. Doch die dramatische Wassersituation am Vaal kann Südafrikas Regierung nicht länger verheimlichen. Sie tritt, gnadenlos, immer deutlicher zutage. So sind jetzt im Olifant River im Norden des Landes zahlreiche Krokodile an Mikrozystin gestorben. Fachleute vermuten, dass sie das Gift aus kranken Fischen in ihrem Körper angereichert haben.

Vertuschen oder Handeln?

Sorgen über die jetzt zutage tretende Wasserkatastrophe in Südafrika machen sich nicht zuletzt Tausende Landwirte, die Jahr für Jahr Kürbisse, Zucchini, Tafeltrauben und Wein im Milliardenwert nach Westeuropa exportieren – alles bewässert aus den Flüssen des Landes. Aus dem vom Krokodilsterben betroffenen Olifant River zum Beispiel wird eins der größten Bewässerungsgebiete Südafrikas gespeist. Das Wasser aus diesem Gebiet hat die Europäische Union inzwischen massiv beanstandet – "und zwar wegen der hohen Konzentration von Blaualgen dort", berichtet Anthony Turton. Auch die Qualität eines großen Bewässerungsgebiets in der westlichen Kapprovinz bemängelt die EU und stellt damit den größten Teil der südafrikanischen Agrarexporte infrage.

Südafrika müsse auch deshalb sofort wirksame Maßnahmen gegen die Vergiftung seines Wassers ergreifen – fordern Wissenschaftler wie Anthony Turton und Peter Ashton. Aber wie? In den letzten zehn Jahren sind eine Million hoch qualifizierte Fachkräfte ausgewandert, 300 pro Tag. Es gibt nicht einmal mehr genug Ingenieure, Handwerker und Chemiker im Land, um die bestehenden Kläranlagen zu erhalten. Und: Sicher, für die jetzt entdeckten großen Probleme gibt es irgendwo auf der Welt Lösungstechnologien. Aber Südafrika kann sie nicht bezahlen, ein Land, das ja auch noch eine Aidskatastrophe, Massenarbeitslosigkeit, eine Energiekrise und die Fußball-WM 2010 zu bewältigen hat.

Autor: Thomas Kruchem

Redaktion: Christine Harjes