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Viele Völker wählen einen Präsidenten

18. August 2004

Afghanistans Weg zu einem demokratischen Staat ist noch weit. Doch das Ziel rückt näher: Im Herbst wählt das Land einen neuen Präsidenten. Das Interesse ist riesig - obwohl die Wähler um ihr Leben fürchten müssen.

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Eine afghanische Frau wartet vor einem Wahlposten in KabulBild: AP

Zehn Millionen Afghanen - davon 42 Prozent Frauen - haben sich bereits mit ihrem Namen und ihrem Fingerabdruck registrieren lassen, um am 9. Oktober den neuen Präsidenten und sechs Monate später das Parlament wählen zu können. Die Wahlkommission hat die Registrierung für die Präsidentschaftswahl in einigen Provinzen um eine Woche verlängert. Dort können sich die Menschen noch bis Freitag (20.8.) in die Listen eintragen lassen. Sechs Afghanen und fünf internationale Experten bilden die Wahlkommission. Das Auswärtige Amt bewertet die Prozedur der Wählerregistrierung in Afghanistan bislang als erfolgreich.

18 Kandidaten

Der Präsident Hamid Karsai will bei der Wahl gegen 17 Kandidaten antreten. Unter ihnen ist eine Frau. Am Mittwoch (18.8.) haben seine Mitbewerber jedoch damit gedroht, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Der Kandidat Abdul Satar Sirat sagte bei einer Pressekonferenz in Kabul, Karsai missbrauche Regierungseinrichtungen für seinen Wahlkampf. 2002 hatte die Loja Dschirga, die große Ratsversammlung, Karsai gewählt. Kritiker bezeichnen ihn als "Statthalter der USA". Prognosen zufolge hat er gute Chancen, die Wahl zu gewinnen. Ob er die absolute Mehrheit von 51 Prozent erreichen kann, gilt jedoch als fraglich. Sollte Karsai mit einem umstrittenen oder angezweifelten Ergebnis auch nur knapp gewinnen, könnten die Machtkämpfe im Land wieder ausbrechen, fürchten Beobachter.

Einer der 17 Gegenkandidaten kündigte an, die USA im Falle eines Wahlsieges zum Abzug auffordern zu wollen. "Ich persönlich sehe sie als Besatzungsmacht", sagte Abdul Hadi Dabir. Das Ziel sei nicht, freie und faire Wahlen abzuhalten, sondern Karsai wieder an die Macht zu bringen. Unterdessen hat Hamid Karsai seinem Volk eine Regierung versprochen, "die nur dem Volk dient und keine eigenen Interesse verfolgt", sollte er wiedergewählt werden. Er wolle die Milizen auflösen, die in weiten Teilen des Landes noch sehr viel Macht haben. "Der Staat wird keine Privatmilizen akzeptieren", so Karsai.

Unter den Kandidaten für die Wahl sind auch einige der mächtigen Stammesfürsten des Landes. Die zahlreichen regionalen Führer gelten beim Aufbau eines zentralistischen Staates als Problem. Beobachter befürchten, dass sie ihre Macht auch nach den Wahlen nicht freiwillig abgeben werden. Außerdem könnten viele Wähler bei der Stimmabgabe doch wieder den lokalen starken Männern folgen.

Zum ersten Mal wird in der Geschichte Afghanistans der Präsident des Landes durch demokratische Wahlen direkt vom Volk gewählt, beziehungsweise von den afghanischen Völkern. Denn: Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat. Die Liste der 18 Kandidaten, die am 9. Oktober gegeneinander antreten werden, spiegelt die Vielfalt des Vielvölkerstaates am Hindukusch wider.

Anschläge der Taliban

Eine Serie von Anschlägen entmachteter Taliban überschattete die Wahlvorbereitungen. Mehr als 30 Wahlhelfer sind dabei bislang getötet worden. Die Taliban bezeichnen demokratische Wahlen als "unislamisch". Beobachter sprechen von einer desolaten Sicherheitslage. Deshalb wurde die ursprünglich für diesen Sommer geplante Parlamentswahl auf das Frühjahr verschoben. Die Angst vor Anschlägen radikaler Islamisten ist groß.

Karsai unter Druck
Der aktuelle Präsident Hamid KarzaiBild: AP

Die USA verbuchten die hohe Zahl der potenziellen Wähler als Erfolg ihrer Militäraktion "Enduring Freedom" und ihrer im Land stationierten Soldaten. Die Afghanen reagierten "auf die Gelegenheit, die ihnen von Enduring Freedom und der Anwesenheit der internationalen Gemeinschaft geboten wird", sagt der US-Gesandte Salmai Chalilsad. Die Nato hat eine 8000 Mann starke Friedenstruppe in dem Land stationiert. (ern)