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"Fleisch"-Schau in Berlin

Myriel Desgranges
1. Juni 2018

Fleisch ist lecker, Fleisch ist vergänglich. Fleisch ist Kost, Kult und Körper zugleich, hat Menschen fasziniert und abgestoßen. Die Berliner Fleisch-Ausstellung ist auch für Vegetarier bekömmliche Museumskost.

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Grafik der Ausstellung "Fleisch"
Bild: Staatliche Museen zu Berlin/BueroBong

Ausgerechnet "Am Lustgarten" lautet die Adresse des "Alten Museums" in Berlin, wo die große Sonderausstellung "Fleisch" stattfindet. Barbusige Frauen und Phallussymbole? Ja, die gibt es auch in der Ausstellung, aber nicht nur. Und wer beim Thema Fleisch gleich an ein saftiges Steak denkt, auch das ist nur ein Aspekt von vielen. Die Ausstellungsmacher der Staatlichen Museen Berlin wollen zeigen, dass Fleisch eben mehr bedeutet als Essen oder wollüstige Erotik.

Goldene Skulptur Fortuna oder Tyche aus der Ausstellung "Fleisch" in Berlin.
Die Lust am Fleisch: Fortuna/Tyche, um 1550Bild: Staatliche Museen zu Berlin/Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst/J. P. Anders

Fleisch ist seit Jahrtausenden ein zentraler Bestandteil in kulturellen und kultischen Kontexten. Etwa dort, wo es um Leben und Tod geht, um Entstehen und Vergehen. Die  Ausstellung "Fleisch" zeigt verschiedenste Facetten der Kulturgeschichte, die das Verhältnis des Menschen zum Fleisch widerspiegeln. Die Objekte stammen aus der Sammlung der Staatlichen Museen zu Berlin mit archäologischen, ethnologischen und kunsthistorischen Objekten aus 5000 Jahren Menschheitsgeschichte, sowie von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern wie Vanessa Beecroft, Christian Jankowski und Bruce Nauman.

Warum das Thema "Fleisch"

Nach der Ausstellung "Bart" 2015/16 im Neuen Museum ist "Fleisch" die zweite thematisch übergreifende Ausstellung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der insgesamt zwölf Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin. 

Für ein derartig interdisziplinäres Projekt wählte das Team auch dieses Mal ein Thema aus, mit dem man aus der ganzen Vielfalt aller Häuser schöpfen konnte, erklärt die wissenschaftliche Museumsassistentin der Alten Nationalgalerie, Anika Reineke: "Wir denken im Team zunächst sehr breit gefächert über alle Themen nach, die womöglich funktionieren könnten. Dabei fallen die unterschiedlichsten Begriffe. Fleisch war einer, der bei uns allen hängengeblieben ist, unter anderem auch, weil er sich so kontrovers diskutieren lässt."

Mehr Fragen als Antworten, das ist Absicht

Mann zertrennt Schweinelaib im Fleischhof. (Berlin/Kunstbibliothek/A. Enger)
Auf dem Fleischhof Lüneburger Straße in Moabit, um 1964Bild: Staatliche Museen zu Berlin/Kunstbibliothek/A. Enger

Der Titel für die Ausstellung sei bewusst so kurz gewählt, um die Assoziationen der Besucher nicht einzuschränken. Die Schau solle generell mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben, so Reineke. "Die Ausstellung ist auf die Objekte fokussiert, die Interpretation wird den Besuchern überlassen", sagt sie. Besucher sollten sich darauf einstellen, wenig Begleittext zu den Exponaten zu finden. Die Objekte stünden für sich selbst.

Um der äußerst breit gefächerten Auswahl dennoch eine Struktur zu verleihen, wurde das Thema Fleisch in drei Bereichen konzeptionell eingeordnet: Kost, Kult und Körper. In diesen sich stets überschneidenden Bereichen zeigt sich das Verhältnis des Menschen zum Fleisch.

Kost, Kult und Körper

Bemaltes Schweinchen aus Ton.
Schweine wurden schon im alten Troja domestiziert. Bemaltes Schweinchen, 1800-1100 v. Chr..Bild: Staatliche Museen zu Berlin/Museum für Vor- und Frühgeschichte/J-. Liepke

Beim Thema Kost steht das Schwein im Fokus, stellvertretend für das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Das Schwein ist das einzige Tier, das ausschließlich als Fleischlieferant gezüchtet wird. Eine Bildergalerie über das Leben, Sterben und Nachleben einer Sau zeigt in der Ausstellung ein Einzelschicksal, das viele Emotionen hervorruft. Dagegen behandeln die sachlichen Beschreibungen des Handbuchs für Sanitäts- und Verwaltungsbeamte einer US-amerikanischen Großschlachterei um 1900 die Tiere als reine Objekte.

Fleisch spielt in fast allen Religionen eine Rolle - etwa durch Speisevorschriften. Göttliche Kräfte, die jenseits des sterblichen Fleisches liegen, wurden und werden noch immer in vielen Kulturen verehrt. Kultrituale vom Tier- bis zum Menschenopfer nehmen einen zentralen Platz im Leben einzelner religiöser Gesellschaften ein. Innerhalb der Ausstellung wird diese Dimension des Fleisches zum einen an der christlichen Erzählung vom Leib Christi, zum anderen an religiösen Fleischopfern von der Antike bis zur Gegenwart erzählt.

Kleine Statue von Kronos/Saturn, der sein Kind verschlingt.
Kronos/Saturn verschlingt sein Kind, um 1766Bild: Staatliche Museen zu Berlin/Kunstgewerbemuseum/S. Linke

Der Körper als bewegliche und doch vergängliche Grundlage des Lebens ist eng verwoben mit kulturellen und politischen Kämpfen. Die Ausstellung verweist in diesem Kontext auf den fleischlichen Zerfall und die Zerfleischung im Kampf, fragt nach Körperbildern und Körpererfahrungen und zeigt vor dem Hintergrund des fleischlichen Entstehens und Vergehens Zusammenhänge zwischen Fruchtbarkeitssymbolen und Lustmord.

Ein vielfältiges Begleitprogramm

"Manche Besucher werden sagen, es fehle an Informationen, man erfahre nicht genug. Doch nicht die Texte, sondern die Objekte selbst erzählen ihre Geschichte", sagt Kuratorin Anika Reineke. Parallel zur Ausstellung wurde daher ein vielfältiges Begleitprogramm zusammengestellt, das viele Themen und Fragen aufgreift, die in der Ausstellung nicht behandelt werden.

Geplant sind unter anderem Gesprächsabende zwischen einem Foodaktivisten, einer Kommunikationswissenschaftlerin und einer sexpositiven Feministin, die sich über die Lust am Fleisch und das Verhältnis von Körper und Geist unterhalten. Außerdem werden ein Tattoo- und Suspension Artist sowie ein Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie über externe Modifikationen und den selbst geschaffenen Körper diskutieren.