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Wächst der Druck auf Baschar al-Assad?

8. März 2012

In einem Internet-Video erklärt der angebliche Vize-Ölminister Syriens, dass er sich der Opposition gegen Präsident Assad angeschlossen hat. Kann der innenpolitische Druck zum Sturz des Regimes führen?

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Bild von Baschar al-Assad an einem öffentlichen Gebäude (Foto: rtr)
Bild: Reuters

Das Video auf der Internet-Plattform Youtube zeigt einen Mann im dunklen Anzug, der erklärt, dass er sich vom Regime Baschar al-Assads abwende. Seit 33 Jahren sei er im Staatsdienst, sagt der Mann, der sich Abdo Hossam al-Din nennt. Jetzt aber werde er sich den Aufständischen anschließen. Er forderte die syrischen Alawiten auf, sich nicht mit dem Regime Assads gemein zu machen.

Wann und wo das Video aufgenommen wurde, blieb ebenso unklar wie die exakte Funktion des Mannes und seine Stellung innerhalb der syrischen Regierung. Deutsche Medien berichteten, der "Vize-Ölminister" sei zurückgetreten. Auf der Internetseite spiegel.de war zu lesen, mit Abdo Hossam al-Din sei der "erste syrische Top-Politiker" übergelaufen. DW-Redakteur Ibrahim Mohamad schätzt die Stellung des Überläufers innerhalb der syrischen Ministerialbürokratie allerdings nicht so hoch ein. "Er bezeichnet sich als 'muawin,' und das bedeutet 'Assistent'", sagt Mohamad. "In Syrien hat ein Minister immer mehrere Assistenten. Von dem 'Vize-Minister' zu sprechen, wäre nicht richtig."

Vize-Ölminister Abdo Hossam al-Din (Foto: dapd)
Abdo Hossam al-Din: zur Opposition übergelaufenBild: dapd

Dennoch hält Heiko Wimmen vom Forschungsinstitut Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin den Rücktritt Abdo Hossam al-Dins für bedeutend. Vor zwei Monaten habe sich bereits ein hoher syrischer Funktionär abgesetzt. "Der Mann, der jetzt übergelaufen ist, scheint noch einmal ein Level höher gewesen zu sein", meint Wimmen. "Und er richtet sich in dem Video eindeutig an seine Kollegen und rät ihnen, das sinkende Schiff zu verlassen." Das erhöhe den Druck auf das Regime Baschar al-Assads von innen.

Militärische Option steht nicht zur Diskussion

Für Wimmen ist dieser innere Druck das Entscheidende: "Wenn das Regime fällt, fällt es von innen." Man könne den Konflikt nicht von außen entscheiden: "Wenn, dann nur mit einer militärischen Intervention."

Heiko Wimmen, Nahost-Forscher an der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Heiko Wimmen, Stiftung Wissenschaft und PolitikBild: SWP

Doch eine solche militärische Intervention scheint zurzeit niemand ernsthaft in Betracht zu ziehen. In einer Anhörung des Streitkräfte-Ausschusses des US-amerikanischen Senats betonte Verteidigungsminister Leon Panetta am Mittwoch (07.03.2012), die US-Regierung schließe zwar keine Vorgehensweise aus. Dennoch konzentriere sie sich eher auf diplomatische und politische Initiativen als auf eine Militärintervention.

Am Donnerstag sprach sich auch Kofi Annan, Sonderbeauftragter der UN und der Arabischen Liga für Syrien, gegen eine Intervention aus: "Ich hoffe, dass in dieser Lage niemand ernsthaft an den Einsatz von Gewalt denkt", sagte Annan nach Gesprächen mit der Arabischen Liga in Kairo.

Keine neue UNO-Resolution in Sicht

Syrien: Kofi Annan für friedliche Lösung

Ohnehin ist der UN-Sicherheitsrat weit davon entfernt, sich erneut mit einer Syrien-Resolution zu beschäftigen. Im Februar war eine Resolution, die das Assad-Regime verurteilt hätte, am Veto der beiden ständigen Mitglieder Russland und China gescheitert.

Wenn sich der Sicherheitsrat nun am komenden Montag (12.03.2012) trifft, wird in dem Gremium wohl erneut über Syrien gesprochen. Allerdings werde es bei dem Treffen um den "arabischen Frühling im Allgemeinen" gehen, wie eine Sprecherin des britischen Außenministeriums der Deutschen Welle sagte: "Das beinhaltet eine Reihe von Themen und Fragestellungen." Großbritannien hat derzeit die monatlich rotierende Präsidentschaft des Sicherheitsrats inne.

Auch Nahost-Forscher Heiko Wimmen setzt keine große Hoffnung in den UN-Sicherheitsrat. "Es gab Spekulationen, dass die Chinesen sich das mit dem Veto anders überlegen könnten und Russland seine Blockadehaltung gegenüber einer Sicherheitsrats-Resolution in diesem Falle aufgeben könnte", meint Wimmen. "Aber im Moment sieht es nicht so aus, als sei vom Sicherheitsrat besonders viel zu erwarten."

Verschiedene Syrien-Missionen

Die Vereinten Nationen versuchen es indes mit einer Reihe diplomatischer Missionen. So befindet sich derzeit die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos in Syrien. Auf ihrem dreitätigen Besuch soll sie sich ein Bild von der humanitären Lage dort machen.

UNO-Nothilfebeauftragte Valerie Amos
Die UN-Nothilfebeauftragte Valerie Amos in DamaskusBild: AP

Am Mittwoch besuchte sie kurz das Viertel Baba Amro in der Stadt Homs. Allerdings konnte sie nach Angaben ihrer Sprecherin nicht die von den Oppositionellen kontrollierten Gebiete in Homs aufsuchen. Die Teile von Baba Amro, die Amos gesehen habe, seien aber "völlig verwüstet" gewesen: "Die Zerstörung ist gewaltig und ich mache mir große Sorgen darüber, was mit den Menschen passiert ist, die in diesem Teil der Stadt leben", sagte Amos der Nachrichtenagentur Reuters.

Am Samstag wird dann Kofi Annan in Damaskus erwartet. Der ehemalige UN-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger, der kürzlich von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon zum Sonderbeauftragten der UN und der Arabischen Liga für Syrien ernannt wurde, war bereits am Donnerstag zu Gesprächen mit der Arabischen Liga in Kairo zusammengekommen.

Von all diesen Missionen verspricht sich Nahost-Experte Heiko Wimmen wenig. Schließlich habe der syrische Präsident Baschar al-Assad in einem Interview mit dem amerikanischen Sender ABC deutlich gemacht, dass er die UNO nicht besonders ernst nehme: "Er hat gesagt, das ist ein Spiel, das man spielt, ohne deshalb an dieses Spiel zu glauben." Trotzdem, meint Wimmen, müsse die internationale Gemeinschaft es mit solchen Missionen versuchen: "Was soll man denn sonst machen?"

Sanktionen und Überläufer erhöhen Druck

Aber auch wenn von den Missionen verschiedener UN-Gesandter oder vom Sicherheitsrat nicht viel zu erwarten sein sollte, werde der Druck auf Assad durchaus höher. So hätten Sanktionen, wie sie zum Beispiel die Europäische Union Ende Februar beschlossen hätte, einen massiven Effekt, meint Wimmen. "Tourismus findet nicht mehr statt, Erdölexport findet nicht mehr statt. So ist Syrien mittelfristig - vielleicht sogar kurzfristig - nicht überlebensfähig."

Die Sanktionen würden helfen, den Druck auf Assad von innen zu erhöhen. Durch die Rücktritte hochrangiger Funktionäre wird der Druck laut Wimmen weiter verstärkt: "Wenn das Regime fällt, fällt es durch solche Dinge, wie wir sie heute gesehen haben."

Autor: Andrea Rönsberg
Redakteur: Klaus Jansen