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Weltweiter Wortwitz

Christine Gruler30. Januar 2003

In die unendlichen Weiten der Wortkunst entführt das Maulhelden-Festival. Wer hat die größte Klappe? DW-WORLD hat sich mit auf die Reise begeben.

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"Hallo Berlin": Shazia Mirza ist die einzige muslimische KabarettistinBild: Kay Herschelmann

Mit Volldampf voraus begann das zweite Festival der Maulhelden. Ein Seemannschor aus Berlin stimmte das Publikum im Berliner Tempodrom ein: "Lass' dir den Wind um die Nase wehen", tönte es in einem Titel, der den Kurs für das Folgende vorgab. Denn die Windstärke, in der die Sprachakrobaten um Lacher wirbelten, blieb anhaltend kräftig.

Schnittig, ja sogar beißend war das Klima zuweilen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Festival-Vater Arnulf Rating auf 25 Jahre Polit-Kabarett zurückblickt.Auf der Hauptbühne, unter dem steinernen Zirkusdach, führte er als Conferencier pointensicher durch das vierstündige Eröffnungsprogramm. Vierteilen konnte sich der Meister selbstverständlich nicht und da meist drei Örtlichkeiten gleichzeitig bespielt wurden, blieb der Besucher bei all der Vielfalt auf das Programmheft angewiesen. Nicht gerade einfach dabei seinen Favoriten auszumachen.

Arnulf Rating, Maulhelden - 2. Internationales Festival der Wortkunst in Berlin
Arnulf Rating

Kriege, Krisen und Katastrophen

Altbewährte Publikumsmagneten wie Reiner Kröhnert ("Kanzlers Zeitstimme") füllten die Sitzreihen bis zum letzten Rang. "Kriege, Krisen und Katastrophen" beschwor der Star-Parodist in seiner Talkrunden-Posse herauf und stellte gar die Messias-Frage neu.

Maulhelden - 2. Internationalen Festival der Wortkunst
John VlismusBild: Kay Herschelmann

Und noch während Kröhnert mit bösartiger Präzision die Schwächen der politischen Prominenz entblößte, war es dem südafrikanischen Stand-up-Comedianist John Vlismus in der Kleinen Arena spielend gelungen die deutschen Humor-Schleusen zu öffnen. Der junge Wirbelwind ist dabei nicht weniger politisch als sein deutscher Kollege. In rasantem Tempo sprang er von der Kriminalität in Johannesburg zur Konjunkturflaute hierzulande. Vlismus zeigte sich bestens informiert und fand auch für das Klischee des humorlosen Deutschen ein Opfer: "Es ist vollkommen in Ordnung zu lachen", wandte er sich direkt an eine allzu ernst Blickende.

Kein leichter Start für Shazia Mirza

Vielleicht hätte auch Shazia Mirza in die Offensive gehen sollen. Bereits vor ihrer Deutschland-Premiere als Shooting-Star der diesjährigen Maulhelden gehandelt, glückte ihr Start nur bedingt: Was nicht zum Lachen brachte, regte zum Nachdenken an.

"Mein Name ist Shazia Mirza. Das steht jedenfalls in meinem Pilotenschein." Mit diesem Satz erzielte die einzige muslimische Kabarettistin der Welt kurz nach dem 11. September den Knalleffekt, der ihr internationale Berühmtheit verschaffte. Auch weitere Pointen wie die, dass sie unter ihrem Kopftuch nur fettiges Haar verberge, hat ihr die Presse vielfach vorweggenommen.

Ob das jedoch der einzige Grund ist, warum die zierliche Frau aus Birmingham nur spärliche Lacherfolge erzielte? Zweifelhaft. Verpackt in den schwarzen Humor der Briten ist der Stoff, aus dem sie ihr Repertoire wirkt, doch mitten aus dem Leben muslimischer Frauen gegriffen. Zu groß war das Befremden und neben den mangelnden Englischkenntnissen des Publikums scheiterte sie letztlich schlichtweg an der deutschen Spassgrenze. Was haben Deutsche mit Muslimen also gemeinsam? Richtig, sie verstehen Shazia Mirzas Witze nicht.

Prototypen auf Heimspiel

Bestens vertraut waren dem heimischen Publikum dagegen nicht nur Gabi Decker, sondern auch die weiblichen Prototypen, in die sich die Berliner Kabarettistin auf der Bühne wandelt. "Na Angst, hä?", dröhnte sie in der Rolle der knallharten Geschäftsfrau bis in die obersten Ränge: "Angst ist immer der falsche Berater." In knallrotem Kostüm und mit schwarzer Perücke hat sie als Satansbraten ein Heimspiel.

Die Welt des Humors ist bunt und sie soll es auch weiterhin bleiben. Der "clash of civilisation" als Lachgarant, das ist für Rating und sein Maulhelden-Team jedenfalls auch auf lange Sicht eine Vision. 54 Auftritte von Künstlern aus 14 Ländern bürgen in diesem Jahr für weltweiten Wortwitz - quer durch alle Sparten. Neben Kabarett, Comedy und Chanson ist auch für die Literatur ein Forum geschaffen. "Wir wollen die Vielfalt wiederbeleben, ohne in einheitlichen Schablonen zu denken", erläutert der Obermaulheld sein Konzept. Die Aussichten dafür, das zeigen auch die steigenden Besucherzahlen, sind gut!