1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wolfgang Clement - Ein Abgang im Zorn

26. November 2008

Mit Bedauern, aber auch mit Verärgerung haben die Sozialdemokraten auf den überraschenden Parteiaustritt des früheren Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement reagiert.

https://p.dw.com/p/G24r
Ehemaliger Bundeswirtschaftsminister Clement (Foto: AP)
Parteiaustritt nach 38 Jahren: Wolfgang Clement fühlte sich von der SPD "drangsaliert"Bild: AP

38 Jahre lang war Wolfgang Clement Mitglied der SPD - nun hat der ehemalige "Superminister" für Wirtschaft und Arbeit sein Parteibuch zurückgegeben und damit den Sozialdemokraten vor dem Wahljahr 2009 einen weiteren Rückschlag versetzt. Er fühle sich in seiner Meinungsfreiheit eingeengt, erklärte Clement in einem Brief an den Parteivorstand. Außerdem vermisse er eine klare Abgrenzung der SPD zur Partei "Die Linke".

Ruhe vor dem Sturm

SPD-Chef Müntefering und Kanzlerkandidat Steinmeier (Foto: AP)
Bedauern Clements Parteiaustritt: Müntefering und SteinmeierBild: AP

Noch am Montag schien der Streit über SPD-kritische Äußerungen Clements im hessischen Landtagswahlkampf Anfang 2008 beigelegt. Die Schiedskommission der Bundes-SPD hatte es in letzter Instanz abgelehnt, den früheren NRW-Ministerpräsidenten und ehemaligen SPD-Vizevorsitzenden aus der Partei auszuschließen. Allerdings hatte die Kommission dem 68-Jährigen eine öffentliche Rüge erteilt. Genau durch diese Rüge fühle er sich "drangsaliert", erklärte Clement zur Begründung für seinen nun freiwilligen Parteiaustritt.

Enttäuschung und Wut

SPD-Chef Franz Müntefering versuchte vergeblich, Clement doch noch umzustimmen. "Es ist schade, dass er nicht weiter in der Partei mitarbeiten will", bedauerte Müntefering den Entschluss Clements. Damit müsse die Partei "jetzt klar kommen, und das tun wir auch", ergänzte der SPD-Vorsitzende. Auch Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zeigte sich enttäuscht: "Wir haben versucht, ihm Brücken zu bauen", sagte Steinmeier. Zugleich versicherte er, in der SPD gebe es weiterhin "auch Platz für Leute, die das offene Wort pflegen".

SPD-Fraktionschef Struck (Foto: AP)
Kein Verständnis für Clement: SPD-Fraktionschef StruckBild: AP

Mit Unverständnis reagierte SPD-Fraktionschef Peter Struck auf den Parteiaustritt Clements: "Diese Entscheidung kann niemand nachvollziehen", sagte Struck. Die SPD werde "sicher darunter zu leiden haben. Es wirft uns zurück, aber nicht um", fügte er hinzu. Deutlich kühler fiel die Reaktion des linken SPD-Flügels aus: "Reisende muss man ziehen lassen", meinte etwa die stellvertretende SPD-Chefin Andrea Nahles.

Heimatlose Sozialdemokraten?

Unionsfraktionschef Volker Kauder sprach davon, bürgerliche Sozialdemokraten hätten nun keine Heimat mehr in der SPD. "Die Säuberungswelle in der SPD hat jetzt ihr prominentestes Opfer gefunden", sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Grüne und Linkspartei meinten, Clements Austritt sei nur konsequent. Die FDP bot dem früheren Bundeswirtschaftsminister eine neue politische Heimat bei den Liberalen an. Es gebe ein hohes Maß an inhaltlicher Übereinstimmung zwischen Clements Positionen und denen der FDP, sagte der nordrhein-westfälische Generalsekretär Christian Lindner.

Politischer Schaden ungewiss

Meinungsforscher analysieren die Lage der SPD unterschiedlich: "Es ist meine feste Annahme, dass der Austritt Clements der SPD insgesamt schadet", sagte Forsa-Chef Manfred Güllner. Clement habe für einen wirtschaftspolitischen Kurs gestanden, der die Mitte an die SPD binde. Hier werde es Irritationen geben. Dagegen ging der Parteienforscher Gero Neugebauer nicht von negativen Konsequenzen aus: "Ich vermute eher, dass in einigen Tagen die Aufregung vorbei sein wird."

Ypsilanti brachte Stein ins Rollen

Hessens SPD-Chefin Ypsilanti (Foto: AP)
Umstrittene Energiepolitik: Hessens SPD-Chefin YpsilantiBild: AP

Entzündet hatte sich der ganze Streit daran, dass Clement im hessischen Landtagswahlkampf Anfang 2008 massiv die energiepolitischen Pläne der damaligen sozialdemokratischen Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti kritisiert hatte. Indirekt hatte er sogar davon abgeraten, SPD zu wählen. Daraufhin setzten mehrere Ortsvereine ein Parteiausschlussverfahren in Gang. Teile der SPD hatten Clement Lobby-Politik vorgeworfen. Er sitzt im Aufsichtsrat der RWE-Kraftwerkstochter "RWE Power". Das Unternehmen betreibt unter anderem das umstrittene Atomkraftwerk im hessischen Biblis. (wa)