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Zinssenkung mit Ansage

Thomas Kohlmann5. Dezember 2002

Ein Jahr hatten die Märkte darauf gewartet – jetzt hat Wim Duisenberg endlich den maßgeblichen Zinssatz für die zwölf Länder der Euro-Zone gesenkt.

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Der Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am MainBild: AP

Zuletzt war der Druck so groß gewesen, dass selbst der friesische Dickschädel Wim Duisenberg ein Einsehen hatte. Doch ob die Senkung der Leitzinsen im Euroraum von 3,25 Prozent auf aktuell 2,75 Prozent tatsächlich mehr sein kann als ein psychologisches Signal, bezweifeln viele Konjunktur-Forscher: "Der Zinsschritt kommt sehr, sehr spät", meint Ulrich Fritsche vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Die EZB hatte zwischen Mai und November 2001 ihren wichtigsten Leitzins in vier Stufen von 4,75 auf derzeit 3,25 Prozent gesenkt, dann jedoch mit Hinweis auf den gestiegenen Ölpreis und die Euro-Einführung es vorgezogen, die Inflation zu bekämpfen, statt der lahmenden Konjunktur im Euroraum mit billigem Geld neues Leben einzuhauchen.

Anderes Selbstverständnis

Alan Greenspan hat da ganz anders geklotzt: Als die Spekulationsblase an den Aktienmärkten im Frühjahr 2000 geplatzt war, schickte der US-Notenbank-Chef die Zinsen im Eiltempo in den Keller. Anders als sein Kollege Duisenberg im Frankfurter Euro-Tower versteht sich Greenspan als Hüter der Konjunktur – ganz nach der Devise: Um den Wachstumsmotor anzuwerfen, muss man zur Not auch mit etwas mehr Inflation leben können. Während Duisenberg über das Wachstum der Geldmenge und die Inflation meditierte, senkte Greenspan in dreizehn mutigen Schritten die amerikanischen Leitzinsen von 6,5 auf aktuell 1,25 Prozent.

Und die Politik des billigen Geldes wirkt: Trotz der massiven Auswirkungen des 11. Septembers geht es mit der US-Wirtschaft langsam aber sicher wieder aufwärts. Zuletzt wurde das Wachstum für das dritte Quartal sogar auf glatte vier Prozent nach oben revidiert. "Das amerikanische Experiment scheint zu gelingen", gibt sich DIW-Forscher Fritsche optimistisch." Doch es wird auch Zeit, dass die US-Konjunktur wieder auf Touren kommt, denn viel mehr Pulver hat die US-Notenbank nicht. Sonst drohen japanische Verhältnisse.

Japanische Verhältnisse?

Immer wieder geht in den USA - und neuerdings auch in Deutschland - die Angst vor japanischen Verhältnissen um: Niedrig-Zinsen gepaart mit niedrigem Wachstum und einer gigantischen Staatsverschuldung. Nachdem der Nikkei-Index von 38.915 Punkten im Dezember 1989 in immer neue Tiefen stürzte, wartete die Bank of Japan erst einmal ab. Als sie dann endlich die Zinsen senkte, steckte die japanische Wirtschaft längst in der Deflationsfalle. "Die Bank of Japan hat Anfang der 90er Jahre gravierende Fehler gemacht. Als sie dann die Leitzinsen mit dem Mut der Verzweiflung bis auf null Prozent senkte und jede Wirkung verpuffte, hatten die japanischen Notenbanker ihr gesamtes Instrumentarium aus der Hand gegeben", meint Ulrich Fritsche.

Nicht überall ist Japan

Die Unterschiede zwischen Japan und den USA sind dennoch groß: Zwei Drittel der amerikanischen Wirtschaftsleistung gehen auf das Konto des privaten Konsums. Und der ist – anders als in Japan oder dem Abgabe-geplagten Deutschland – weiterhin robust, so die Sprache der Konjunktur-Strategen. Selbst in den derzeit unsicheren Zeiten kaufen die Amerikaner, was das Zeug hält. Zwar sagte die Mehrheit der US-Bürger Anfang November in einer Umfrage des Wall Street Journal, man wolle sich bei den Weihnachtsgeschenken in diesem Jahr zurückhalten. Doch die meisten räumten ein, diesen Vorsatz hätten sie auch schon in früheren Jahren gehabt, aber immer wieder über Bord geworfen.

Die neuesten Zahlen des Converence Board-Verbraucher-Index untermauern das: Die Zuversicht der US-Verbraucher stieg im November erstmals seit sechs Monaten. "Es sieht so aus, als seien die Aussichten sehr viel rosiger als noch vor einem Monat", kommentierte Joseph Abate, Volkswirt bei Lehman Brothers, die Zahlen.

Und so glaubt eine immer größere Zahl von Konjunktur-Experten, dass es eher wieder nach oben gehen wird, wenn Alan Greenspan das nächste Mal an der Zinsschraube dreht. Und damit könnten die Währungshüter um Wim Duisenberg wieder ein gutes Argument haben, erst einmal abzuwarten.