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Zwischen Defensive und Aufmarschhilfe

Baha Güngör25. Februar 2003

Das eine Ziel ist erreicht: Die NATO-Hilfe zur Luftraumüberwachung ist der Türkei sicher. Das andere Ziel sind Ausgleichszahlungen der USA für eine mögliche Truppen-Stationierung. Die Strategie ist nicht nur militärisch.

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Startklar gen Türkei: Aufklärungsflugzeug AWACSBild: AP

Zum Glück sind die Misstöne verklungen, die das europäisch-türkische Verhältnis belastet hatten, weil die Vorbereitung von Schutzmaßnahmen für den NATO-Partner Türkei von Frankreich, Belgien und Deutschland als "falsches Signal" für einen nahenden Kriegsbeginn abgelehnt worden war: Ein Vorauskommando der NATO-AWACS-Truppen ist am Montag (24.2.) vom NATO-Stützpunkt Geilenkirchen nach Konya in der Türkei gestartet. Die Luftaufklärungsmaschinen sollen im Laufe der Woche folgen.

Der Chef der NATO-AWACS-Flotte in Europa, Johann-Georg Dora, sprach von einem "rein defensiven Einsatz" im türkischen Luftraum. Dora betonte, es handele sich nicht um einen Kriegseinsatz, sondern um eine "Militäraktion im Vorfeld eines möglichen Konfliktes". Die AWACS-Maschinen sollen den Flugverkehr im türkisch-irakischen Grenzgebiet kontrollieren. Sie können tieffliegende Flugziele bis zu einer Entfernung von rund 400 Kilometern und Flugzeuge in mittleren Höhen bis zu 520 Kilometern Entfernung erfassen. Die NATO-Militärhilfe für den Verteidigungsfall bei einem möglichen Angriff des Iraks ist damit auf den Weg gebracht.

Tauziehen mit den USA

Um welchen Preis will - besser: soll - die Türkei den USA das Aufmarschgebiet für eine Nordfront gewähren? Die beiden Staaten kommen nicht voran in ihren wochenlangen Verhandlungen darüber, wieviel Entschädigung dem Land an der Nordgrenze des Iraks für die Unterstützung eines Waffengangs gegen Bagdad gezahlt werden soll. Es ist von viel Geld die Rede: Je nach Quelle schwanken die Angaben zwischen 24 und 30 Milliarden US-Dollar. Die Rechnerei fällt nicht schwer: Zu gut erinnern sich die Türken daran, wieviel Geld ihnen wegen der internationalen Sanktionen gegen das Nachbarland nach dem ersten Golfkrieg entgangen ist. Ganz tollkühne Rechner schätzen die Verluste Ankaras seit 1991 auf nahezu 100 Milliarden Dollar.

Geht es nur ums Geld?

Je mehr Geld aus Washington in die löcherigen Säckel Ankaras fließt - so der Anschein -, desto leichter fällt es dem NATO-Land, notfalls eigene Soldaten in mögliche Himmelfahrtskommandos zu schicken. Aber: Ist das wirklich so? Sind Länder wie die Türkei käuflich, die zwar zu treuen militärischen Partnern des Westens zählen, nach dem Ende von militärischen Konflikten aber meist allein auf einem wirtschaftlichen Scherbenhaufen sitzen bleiben? Oder geht es um andere Dinge, von denen die Weltöffentlichkeit nichts erfahren soll - um die brüchige Front der Solidarität mit den USA nicht zu gefährden?

Einlenken wahrscheinlich

Ein gespaltener, in sich zerrissener Irak ist keine Gewähr für einen beständigen Frieden in der Region, auch wenn Saddam Hussein und seine Gefolgschaft gestürzt und durch US-loyale Kräfte ersetzt werden sollten. Es geht nicht zuletzt um das Öl im Irak, um die Freihaltung der Transportwege und um die Kontrolle der Nachfolger von Saddam Hussein in Bagdad. Das weiß auch die Türkei. Deshalb will sie ein Mitspracherecht nach dem Krieg und beim Wiederaufbau der Strukturen im Irak haben. Wegen dieses Mitspracherechts wird die Türkei im Ernstfall ohnehin nicht zurückstehen können. Letztlich scheint klar: Sie wird den USA den Aufbau einer Kriegsfront an der Nordgrenze des Irak ermöglichen und damit die Kriegsführung erleichtern.

Im Spannungsfeld zwischen USA, UNO und Europa

Trotz aller wirtschaftlichen Probleme und demokratischen Defizite will die Türkei auf Europakurs bleiben. Deshalb müht sie sich sehr darum, ihre Verfassung so zu ändern, dass die Normen und Werte der Europäischen Union schneller übernommen und adaptiert werden können. Eine dieser Normen ist in der türkischen Verfassung schon jetzt vorhanden: Sie schließt einen Krieg unter türkischer Beteiligung so lange aus, bis eine internationale Legitimation vorliegt. Diese Legitimation können aber nur die Vereinten Nationen erteilen, denen sich die Türkei nicht weniger verpflichtet fühlt als die europäischen Länder. Es geht also Ankara nicht nur ums Geld, sondern auch um Garantien für Sicherheit und Frieden in der Region nach Saddam Hussein.