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Ökologische Wüste Südosteuropa

Zoran Arbutina8. Februar 2013

Reiseveranstalter schwärmen oft von der Schönheit der Natur in Südosteuropa. Was sie lieber verschweigen: Auch die Luftverschmutzung ist in einigen Städten auf dem Balkan europaweit am höchsten.

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Die Skyline von Sarajevo hinter dem Smog Foto: Faruk Sabanovic (DW)
Bild: DW/ Faruk Sabanovic

Die Weltgesundheitsorganisation legt alarmierende Zahlen vor: In Sarajevo ist die Feinstaub-Konzentration am höchsten in ganz Europa - mit einem Jahresdurchschnitt von 117 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die EU erlaubt einen jährlichen Mittelwert von höchstens 40 Mikrogramm. Etwas niedriger als in der Hauptstadt Bosnien und Herzegowinas, aber immer noch überdurchschnittlich hoch, ist die Konzentration von Feinstaub in den mazedonischen Städten Tetovo und Skopje, im bulgarischen Plovdiv oder im rumänischen Timişoara.

Gefährliche Kleinpartikel

"Besonders in den Wintermonaten steigt die Feinstaub-Konzentration, dann ist die Gesundheit der Bevölkerung am meisten bedroht", sagt Martin Teis, Experte für die Prüfung der Luftqualität aus Sarajevo. Der Begriff Feinstaub (PM10) bezeichnet die im Gesamtstaub enthaltenen unsichtbaren Partikel, deren Durchmesser kleiner als zehn Mikrometer ist. Weil sie so klein sind, werden sie ungefiltert eingeatmet. Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation haben nachgewiesen, dass bei einer hohen Feinstaubkonzentration besonders häufig  Krankheiten der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems auftreten.

Porträt des bosnischen Klima-Experten Martin Teis Foto: Faruk Sabanovic (DW)
Martin Teis, Klima-Experte aus SarajevoBild: DW/ Faruk Sabanovic

Die Hauptursache für die hohe Luftverschmutzung in Sarajevo seien veraltete Heizungsanlagen und die Armut der Menschen, sagt Teis: "In den privaten Haushalten wird alles mögliche verheizt, in der Regel Kohle und Holz, aber auch die alten Autoreifen." Ein weiteres Problem seien die Autos, die durchschnittlich 15 bis 18 Jahre alt seien und die Umwelt stärker belasteten als neue Modelle mit modernen Katalysatoren. Allerdings spielten auch klimatische Bedingungen eine Rolle: Weil Sarajevo von Bergen umgeben ist, bewege sich die Luft nur wenig, sagt Teis.

"Wilde Urbanisierung"

Ähnliche Probleme gibt es auch in Mazedonien, wo im Dezember 2012 in einigen Städten vereinzelt sogar Feinstaub-Tageswerte von bis zu tausend Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen wurden. "Die veraltete Industrie, die schlechte Qualität des Brennmaterials für die zentralen Heizwerke, der Verkehr – nichts davon ist reguliert, bei uns ist eine wilde Urbanisierung im Gange", beklagt Dragan Gjorgjev vom Nationalen Institut für Gesundheit aus Skopje. Das bestehende Umweltschutzgesetz werde ignoriert, um die Industrie finanziell nicht zu sehr zu belasten mit der Forderung nach wirksamen Filtern, so Gjorgjev: "Industrieanlagen in ganz Mazedonien entsprechen nicht den europäischen Standards." 

Um die EU-Luftqualitätsrichtlinie zu erfüllen, habe man in Deutschland umfangreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, erklärt Marcel Langner vom Bundesumweltamt: Industrieanlagen müssen Feinstaubfilter einbauen, was auch steuerlich gefördert wird. Heizkraftwerke sind überwiegend von Kohle auf Gas umgestiegen und neue Autos müssen entsprechende Katalysatoren haben. Entsprechend der europäischen Verordnungen darf in Deutschland die vorgeschriebene Obergrenze der PM10-Konzentration von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresdurchschnitt nicht überschritten werden.

Messung der Feinstaub-Konzentration an einer Straße in Halle Foto:Waltraud Grubitzsch (dpa)
Messung der Feinstaub-Konzentration an einer Straße in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Außerdem gibt es in mehreren Städten in Deutschland Umweltzonen: Wenn die PM10-Konzentration an einem Tag den erlaubten Wert überschreitet, dürfen Fahrzeuge mit hoher Feinstaubemission in dieser Zone nicht verwendet werden. 

Wunsch nach gesamteuropäischen Lösungen

Konkrete Regeln und Maßnahmen zur allgemeinen Verbesserung der Luftqualität vor allem in Städten wünscht sich Adrian Stoica von der Umweltschutzorganisation GIPRO aus der rumänischen Stadt Timişoara.

Besonders wirksam könnten seiner Meinung nach finanzielle Anreize sein - "die Einführung einer Steuer für alle Bürger, die Maschinen und Technik verwenden, welche die Luft verschmutzen". Eine solche Steuer würde auch "bei den Menschen ein Verantwortungsgefühl für die Luftverschmutzung wecken", so der Umweltaktivist.

Durch gesamteuropäische Initiativen könne es einfacher sein, Standards für Luftqualität auch auf die nationale Ebene des EU-Mitgliedsstaats Rumänien zu übertragen. Diese Standards müssten neben der Feinstaub-Konzentrationauch auch weitere Aspekte der Luftqualität berücksichtigen, findet Stoica. Aus seiner Sicht gehört zur Luftqualität zum Beispiel auch der Geruch, der gerade in der Nähe von Industrieanlagen eine Belastung für die Bürger darstellen kann. 

Auch für Bosnien und Herzegowina, den europäischen Spitzenreiter im Bereich Luftverschmutzung durch Feinstaub, könnte die europäische Perspektive eine gute Motivation sein, um etwas zu ändern, glaubt Marcel Langner vom Berliner Bundesumweltamt: "Wäre das Land in der EU, müsste man auch in Sarajevo beispielsweise im Bereich Feinstaubkonzentration dieselben Standards einhalten wie etwa in Deutschland. Und wenn man das über längere Zeit nicht tut, werden auch Strafen fällig."