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Aguirre: "Sport bringt Kulturen zusammen"

Joscha Weber20. Mai 2015

Korruption, Gewalt und Armut prägen Guatemala. Mit sportlichen Erfolgen will das Land dem etwas Positives entgegensetzen. Sport ist lebenswichtig für das Land, sagt Gerardo Aguirre, Chef des guatemaltekischen Sports.

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Leichtathletik Entwicklungs Projekt in Guatemala Gerardo Aguirre
Bild: DW/J. Weber

DW: Gerardo Aguirre, wo steht der guatemaltekische Sport heute?

Gerardo Aguirre: Der Sport in Guatemala befindet sich in einem Entwicklungsprozess. Wir versuchen gerade, die physische Grundlage zu schaffen. Wir haben auch in die Grundschulen des Landes das Fach Sport eingeführt. Unser Ziel ist es, die Verbände enger zu verbinden, damit sie gemeinsam planen können. Der Hochleistungsport, der in den Aufgabenbereich des Olympischen Komitees fällt, soll in Zukunft bessere Ergebnisse abliefern.

Wie können Sie die Bedingungen des Jugendsports in Guatemala verbessern?

Mit einer besseren Organisation und Planung der Arbeit im Sportunterricht in den Schulen. Die Verbände müssen auch dort zusammenarbeiten, damit die jungen Talente entdeckt werden können. Wir müssen unsere Kinder so früh wie möglich in das Sportsystem integrieren. Sie sollen die Möglichkeit haben, fließend in das Hochleistungsstraining auf Weltniveau reinzurutschen.

Erick Barrondo jubelt über Silber im Gehen bei den Olympischen Spielen 2012 (Foto: dpa)
Der Star des guatemaltekischen Sports: Erick Barrondo jubelt über Silber im Gehen bei den Olympischen Spielen 2012Bild: picture-alliance/dpa

Welche Wertigkeit hat der Sport in der guatemaltekischen Gesellschaft von heute?

Für uns, als sportbegeisterte Bürger, ist er Bestandteil unserer Gesellschaft. Mit dem Sport kann man die Jugend für positive und gesunde Aktivitäten begeistern. Durch den Sport entwickeln die jungen Leute Sozialkompetenzen und bleiben Kriminalität und Gewalt fern. Der Sport ist lebenswichtig in unserer Gesellschaft wegen seiner Botschaft von Optimismus und von Achtung universeller Werte wie Freundschaft. Für unser Land ist es auch ein Vehikel, um unseren Nationalstolz zu zeigen.

Hat die Olympische Medaille von Erik Barrando in London 2012 die Haltung der Gesellschaft gegenüber dem Sport in Guatemala verändert?

Der Fall von Erik Barrondo, unserem ersten Medaillenträger, ist ein interessantes Thema. Er ist ein junger Mann aus der Provinz, aus einfachen Verhältnissen, ohne einen höheren Schulabschluss. Er hatte als Sportler kein langjähriges Training. Seine Geschichte bewirkte einen Gemütswechsel in Guatemala. Seit seinem Triumph ist die Stimmung in unserem Volk eine andere: Jeder von uns kann große Erfolge feiern - Mut, Optimismus und Disziplin vorausgesetzt. Außerdem hat sein Sieg uns auch gezeigt, dass der Sport nicht nur für einen Teil der Gesellschaft ist, sondern allen eine Chance bietet im Leben weiterzukommen.

Was ist die Perspektive für Rio de Janeiro?

Wir arbeiten eng mit unseren Verbänden zusammen und unterstützen alle unsere Weltklassesportler. Zuallererst wollen wir dort die Wettbewerbe mit noch mehr Athleten bestreiten. Diese Athleten sollen dort gut vorbereitet auftreten. Wir feilen gerade an unserem strategischen Plan. Unsere Herausforderung ist, die Ergebnisse der Vergangenheit zu verbessern. Wir wollen in Rio de Janeiro im Medaillenspiegel auftauchen und das in Tokio 2020 wiederholen.

Ihr Motto ist "Wir sind Guatemala, ein Land der Gewinner". Ist Guatemala schon ein Land der Gewinner?

Jeden Tag kämpfen wir, um dieses Motto zu verwirklichen. Die ganze Bevölkerung soll fest daran glauben. Guatemala ist ein Land mit viel Talent, mit Leuten, die jeden Tag durch harte Arbeit besser werden wollen. Unsere Aufgabe ist es, dieses Land der Gewinner aufzubauen.

Kinder bei einem Leichtathletik-Projekt in Guatemala City (Foto: Joscha Weber/DW)
Sportentwicklungsprojekte für den Nachwuchs: In Armenvierteln durch Sport Perspektiven schaffenBild: DW/J. Weber

Fußball ist der Sport Nummer eins in Guatemala, aber die Nationalmannschaft hatte sich nicht für die WM 2014 in Brasilien qualifiziert. War das eine Schande für das Land oder wurde die Situation als ein Teil der Entwicklung verstanden?

Guatemala hat sich noch nie für eine Fußball-WM qualifiziert. Das ist eine schmerzhafte Realität für ein Land, das verrückt nach Fußball ist. Diese Situation ist auch ein Weckruf, damit wir es in der Zukunft besser strategisch planen. So können wir die Geschichte ändern, um in Zukunft regelmäßig bei einer Weltmeisterschaft teilzunehmen. Unser Fußballverband soll über Veränderungen und Verbesserungen nachdenken.

Wie wichtig ist die internationale Kooperation für die Entwicklung des Sports in Guatemala?

Die Internationale Kooperation ist für uns sehr wichtig. Erstens, weil es uns einen Einblick in die Gründe des Erfolges in anderen Länder erlaubt. Zweitens, weil es uns zeigt, inwieweit unsere Arbeitsmethoden reformiert, erneuert, oder verändert werden müssen. Außerdem dienen uns die Verbindungen mit sportlich entwickelten Ländern als Orientierung. Dank dieser Beziehungen wissen wir, wo es lang gehen soll und kommen ihrem sportlichen Niveau auch näher.

Sind die Ergebnisse dieser Kooperation schon zu erkennen?

Definitiv. Wir bemerken schon einen Mentalitätswechsel bei unseren Verbänden. Jetzt wird mehr Wert auf die strategische Planung gelegt. All das können wir auf die internationale Kooperation zurückführen. Die Verbindungen zu verschiedenen Ländern sind sehr hilfreich, um unsere eigene Route zu planen.

Das Nationalstadion Mateo Flores in Guatemala City. (Foto: Joscha Weber/DW)
Das Nationalstadion Mateo Flores in Guatemala City bietet gute Trainings- und Wettkampfbedingungen - doch das ist nicht überall im Land soBild: DW/J. Weber

Armut, Korruption und Gewalt sind weit verbreitete Probleme der guatemaltekischen Gesellschaft. Kann die Kraft des Sports etwas verändert?

Vielleicht ist es das Wichtigste zu zeigen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Der Sport kann ein gutes Vorbild werden. Er entwickelt sich Schritt für Schritt und liefert positive Ergebnisse. Außerdem kann Sport die Bevölkerung inspirieren. Die Erfolge unsere Sportler vermitteln unserem Volk Vertrauen und den Glauben, dass alles möglich ist, wenn man gute Arbeit abliefert.

Kann Sport das Land enger zusammenbringen?

Ein Land, in dem Sport betrieben wird, ist ein Land mit einer gesunden und glücklichen Bevölkerung. Das Volk findet im Sport eine Gelegenheit, sich zu unterhalten, sich mit anderen Menschen zu sozialisieren und mit ihnen etwas gemeinsam zu machen. Dazu kommt der Leistungsport als Verbindungselement. Sport kann Guatemala helfen, ein besseres Land zu werden - ein friedliches, glückliches Land.

Das Interview führte Joscha Weber.

Gerardo Aguirre ist seit 2014 Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) Guatemalas. Er setzt sich dabei sowohl für einen Ausbau des Leistungssports als auch für eine Förderung des Jugendsports ein, um Guatemala erfolgreicher zu machen. Er glaubt an eine starke Strahlkraft des Sports für die guatemaltekische Gesellschaft.