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Politik

Algerien: Tod eines Menschenrechtlers

29. Mai 2019

Nach langem Hungerstreik ist der Menschenrechtler Kameleddine Fekhar verstorben. Sein Tod zeigt den fragwürdigen Umgang der Regierung mit Oppositionellen. Von einem geordneten Rechtssystem ist das Land weit entfernt.

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Algerien Demo wegen Ermordung des Aktivisten Kamel Eddine Fekhar
Bild: Getty Images/AFP/R. Kramdi

Zwei Monate hatte er sich im Hungerstreik befunden. Am Dienstag dieser Woche ist der algerische Menschenrechtsaktivist Kameleddine Fekhar gestorben. Nur wenige Wochen vor seinem Tod war er in das Krankenhaus der Stadt Blida, knapp 50 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Algier, verlegt worden.

Über Jahre hatte sich Fekhar, ein studierter Mediziner, für die Belange seiner Volksgruppe, der berberstämmigen Mozabiten, eingesetzt. Die rund 300.000 Mozabiten leben in der Oasenstadt Ghardaia in Zentralalgerien. Konfessionell gehören sie zu den Ibaditen, einer islamischen Glaubensgemeinschaft, die sich weder den Sunniten noch den Schiiten zurechnet.

Die Region um Ghardaia zählt zu den wirtschaftlich am wenigsten entwickelten des Landes. Ihre abgeschiedene Lage hat einen Aufschwung bislang verhindert. Auch der algerische Staat hatte die Region bislang nicht nennenswert gefördert. Entsprechend hart konkurrieren die berberischen Bewohner mit denen arabischen Ursprungs um die wirtschaftlichen Ressourcen. Der Konflikt verläuft weitestgehend, wenn auch nicht durchgehend, entlang ethnischer Linien. Beide Seiten scheuen vor Gewaltanwendung nicht zurück.

Ein ökonomischer, kein ethnischer Konflikt

Allerdings gehe es in diesem Konflikt nicht in erster Linie um ethnische oder konfessionelle Konflikte, sagt der Politikwissenschaftler Rachid Ouaissa von der Universität Marburg. "Die Regierung hat immer wieder versucht, diesen Konflikt als einen ethnischen darzustellen. Das aber geht am eigentlichen Kern des Problems vorbei." Tatsächlich entspringe der Konflikt der allgemeinen Not in der Region.

Kinderarbeit in Algerien
Armut in Algerien: Auch Kinder müssen arbeitenBild: DW/S. Boutera

"Anders als die Küstenstädte haben die im Landesinneren niemals einen Aufschwung erlebt. Die durch die Globalisierung angewachsenen Handelsströme gehen an ihnen vorbei." Das sei in vielen Städten und  Regionen Nordafrikas der Fall, so Ouaissa im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Man denke etwa an den Aufstand von Tunesien 2011. Auch der begann ja in einer ökonomisch vernachlässigten Region mit weit verbreiteter Armut."

Fragwürdige Anklage

Fekhar, einer der führenden Repräsentanten des "Front des Forces Socialistes", einer der ältesten Oppositionsparteien des Landes, hatte wiederholt auf wirtschaftliche und politische Reformen gedrungen. Zudem hatte er der Regierung vorgeworfen, die Mozabiten gezielt zu unterdrücken. Vor vier Jahren war er verhaftet und zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Doch nach seiner Freilassung engagierte er sich weiter für seine Volksgruppe.

Im März dieses Jahres war er ein weiteres Mal verhaftet worden. Der Vorwurf habe auf Aufruf zu bewaffneten Versammlungen, Gefährdung der nationalen Einheit und Nichtanerkennung von Gerichtsentscheidungen gelautet, berichtet Fekhars Anwalt Salah Debouz im Gespräch mit der DW. Daraufhin trat Fekhar in den Hungerstreik. Gegen ihn selbst, so Debouz, hätten die Behörden dieselben Anklagepunkte erhoben, sie aufgrund massiver Proteste seiner Anwaltskollegen dann aber wieder fallen gelassen.

Schwere Vorwürfe gegen Behörden und Ärzte

Zudem erhob Debouz schwere Vorwürfe  gegen die algerischen Behörden. "Das medizinische Personal hat Fekhar nicht angemessen behandelt", so Debouz. "Der verantwortliche Arzt weigerte sich sogar, mit dem Patienten zu sprechen."

Algerien Demo wegen Ermordung des Aktivisten Kamel Eddine Fekhar
"Märtyrer, der für seine Meinung starb": Proteste nach dem Tod Fekhars in AlgierBild: Getty Images/AFP/R. Kramdi

Das Schicksal Fekhar werfe ein Licht auf die bedenkliche Lage der Menschenrechte in Algerien, so der Marburger Politologe Ouaissa im DW-Gespräch. Die Proteste gegen eine weitere Amtszeit des inzwischen zurückgetretenen 82 Jahre alten Staatspräsidenten Abd al-Aziz Bouteflika seien auch auf die schlechte ökonomische Situation in vielen Landesteilen und die hohe Arbeitslosigkeit gerade unter jungen Menschen zurückzuführen gewesen. In den weniger entwickelten Landesteilen träten diese Probleme in noch verschärfter Form auf. Die Regierung habe sich um diese Regionen nicht hinreichend gekümmert. Protesten begegne sie in aller Schärfe. Darunter litten auch die Menschenrechte.

Ob sich die Lage ändere, sei derzeit offen. Die für den 4. Juli angesetzten Präsidentschaftswahlen seien für die weitere Entwicklung ein wichtiger Termin. "Es wird sich zeigen, ob es zu einer wirklichen Transition, einem ernsthaften Übergang in Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kommt."

Der Tod Fekhars zeige auch, dass politische Gefangene weiterhin als Staatsfeinde behandelt würden. Internationale Menschenrechtsorganisation hätten keine angemessene Möglichkeit, in Algerien aktiv zu werden. "Das ist umso dramatischer, als Algerien ein wichtiger Partner der Europäischen Union ist. In Deutschland gilt es wie die anderen Maghreb-Länder als sicherer Herkunftstaat. Der Tod Fekhars muss der Politik auch in Deutschland zu denken geben", so Ouaissa.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika