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Kritik von Amnesty, Rüffel von den UN

11. März 2021

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft dem Militär von Myanmar vor, Kriegswaffen gegen Zivilisten einzusetzen. Der Weltsicherheitsrat kritisiert die Gewalt, die USA verhängen Sanktionen.

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Myanmar | Proteste & Gewalt nach Militärputsch
Feuerlöscher gegen Kriegswaffen: Demonstranten in Rangun wehren sich gegen Übergriffe der Sicherheitskräfte (08.03.2021)Bild: STR/AFP/Getty Images

Beim gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstrationen nach dem Putsch in Myanmar hat das Militär nach Überzeugung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International Kriegswaffen gegen die Bevölkerung eingesetzt. Dafür habe man 55 Videos analysiert, erklärte die Menschenrechtsorganisation in Berlin. Etliche dokumentierte Tötungen kämen außergerichtlichen Hinrichtungen gleich. Daran seien einige militärische Einheiten beteiligt, denen bereits Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an ethnischen Minderheiten vorgeworfen worden seien.

Es würden zunehmend tödliche Taktiken und Waffen gegen friedlich Protestierende und Passanten eingesetzt, die sonst nur auf auf Schlachtfeldern üblich seien, heißt es in der Studie weiter. So werde mit scharfer Munition wahllos in Menschenmengen gefeuert. "Diese militärischen Taktiken in Myanmar sind nicht neu, allerdings wurden die Mordserien noch nie live übertragen, so dass die Welt Zeuge wird", sagte die Amnesty-Direktorin für Krisenbewältigung, Joanne Mariner.

Myanmar | Proteste & Gewalt nach Militärputsch
Sicherheitskräfte gegen Demonstranten - ein ungleicher KampfBild: STR/AFP/Getty Images

Verbrechen mit System

Das sei nicht das Handeln überforderter, einzelner Offiziere, die Fehlentscheidungen träfen. Vielmehr handle es sich um das Vorgehen skrupelloser Kommandeure, die bereits in Verbrechen verwickelt gewesen seien, etwa gegen Angehörige ethnischer Minderheiten in den Bundesstaaten Rakhine, Kachin und Shan.

Seit dem Militärputsch am 1. Februar in Myanmar wurden laut den Aktivisten der "Vereinigung zur Unterstützung politischer Gefangener" mehr als 60 Menschen bei Protesten getötet und bis Dienstagabend fast 1940 festgenommen. Angesichts der steigenden Todeszahlen müssten der UN-Sicherheitsrat und die internationale Gemeinschaft mehr tun als Besorgnis zu äußern, forderte Mariner. Es müsse unverzüglich gehandelt werden, um die Verstöße zu stoppen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

UN-Sicherheitsrat einstimmig, aber undeutlich

Unterdessen hat der UN-Sicherheitsrat das gewaltsame Vorgehen des Militärs in Myanmar gegen friedliche Demonstranten einstimmig verurteilt. Die Ratsmitglieder verabschiedeten nach Angaben aus Diplomatenkreisen eine gemeinsame Erklärung, die den Einsatz von Gewalt gegen friedliche Protest-Teilnehmer, "einschließlich Frauen, Jugendlichen und Kindern", anprangerte.

Der Putsch selbst wird in der Erklärung des Sicherheitsrats nicht benannt. Auch mit der möglichen Verhängung internationaler Sanktionen wird - anders als in einem ursprünglichen Entwurf - nicht gedroht.

Nach Angaben von Diplomaten gestalteten sich die Verhandlungen über die jetzt veröffentlichte Erklärung sehr schwierig. Demnach hatte vor allem China Einwände gegen den von Großbritannien eingebrachten Textentwurf vorgebracht. Die Volksrepublik gilt als traditioneller Verbündeter Myanmars und hat bereits in der Vergangenheit UN-Initiativen blockiert, in denen es etwa um die Verfolgung der Rohingya in Myanmar ging.

"Tiefe Besorgnis"

Die Ratsmitglieder gaben ihre "tiefe Besorgnis über die Beschränkungen für medizinisches Personal, die Zivilgesellschaft, Gewerkschaftsmitglieder, Journalisten und Medienschaffende" zum Ausdruck und forderten die "sofortige Freilassung aller willkürlich Inhaftierten" in Myanmar. Das Militär müsse "äußerste Zurückhaltung" üben.

Der Sicherheitsrat werde die weitere Entwicklung "genau verfolgen", hieß es weiter. Die Ratsmitglieder forderten zudem einen baldigen Besuch der UN-Sonderbeauftragten Christine Schraner Burgener in Myanmar. Die Diplomatin hat die Militärjunta wiederholt darum gebeten, sich vor Ort ein Bild der Situation im Land machen zu können, bisher jedoch keine Einreisegenehmigung erhalten.

Myanmar Min Aung Hlaing
US-Sanktionen gegen Militärchef Min Aung Hlaing - und jetzt auch gegen zwei seiner erwachsenen KinderBild: Tatmadaw True Information Team Facebook page via AP/picture alliance

USA verhängen Sanktionen

Wegen des brutalen Vorgehens der Armee gegen friedliche Demonstranten haben die USA ihre Sanktionen gegen die Militärjunta verschärft. Das Finanzministerium in Washington kündigte Strafmaßnahmen gegen zwei erwachsene Kinder von Junta-Chef Min Aung Hlaing an, die vom Verhalten ihres Vaters profitiert haben sollen.

Hlaings Kinder Aung Pyae Sone und Khin Thiri Thet Mon hielten Anteile an mehreren Unternehmen, die von der "Position und dem schädlichen Einfluss ihres Vaters" profitiert hätten, hieß es weiter. Vermögen, das sie in den USA besäßen, werde eingefroren.

"Wir werden nicht zögern, weitere Maßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die zur Gewalt anstiften und den Willen des Volkes unterdrücken," sagte US-Außenminister Antony Blinken. Er warnte, dass weitere Strafmaßnahmen folgen könnten und verurteilte die Festnahme von über 1700 Personen und das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte bei den friedlichen Protesten. Die USA hatten nach dem Putsch bereits Sanktionen gegen ranghohe Generäle in Myanmar verhängt, darunter gegen Junta-Chef Hlaing.

Auch Großbritannien prüfe zusätzliche Maßnahmen gegen Myanmar, erklärte Außenminister Dominic Raab nach dem Schritt der USA. "Wir sind uns darüber im Klaren, dass es dem Regime nicht erlaubt werden darf, von Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen zu profitieren", teilte Raab auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit.

Menschenrechtler fordern stärkere Sanktionen

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch begrüßte den Schritt des US-Finanzministeriums, da er direkt auf das Einkommen von Hlaing abziele, forderte aber stärkere Sanktionen. "Dies sind nicht die Art von Strafmaßnahmen, von denen wir glauben, dass sie zu einer Verhaltensänderung führen werden. Wir empfehlen, dass sie sich auf die laufenden Einkommensströme konzentrieren, die weitaus größer sind und, wenn sie abgeschnitten würden, weitaus schmerzhafter für das Militär als Institution wären," sagte John Sifton, Asien-Direktor von Human Rights Watch.

Bislang haben sich die Vereinigten Staaten zurückgehalten, Sanktionen gegen die Militärkonglomerate Myanmar Economic Corporation (MEC) und Myanmar Economic Holdings Limited (MEHL) zu verhängen, die vom Militär benutzt werden, um große Teile der Wirtschaft des Landes zu kontrollieren.

mak/bru (rtr, dpa, afp)