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Politik

Bolsonaros Besuch wird zum Wahlkampf-Event

Chase Winter jdw
2. April 2019

Mit seiner Israelreise kurz vor der Knessetwahl rückt Brasiliens rechter Präsident vom traditionellen Prinzip der Nichteinmischung ab. Das schmeckt nicht jedem. Auch Verbündete in Brasilia werden nervös.

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Israel Jerusalem | Netanjahu & Bolsonaro, Präsident Brasilien
Bild: Getty Images/AFP/M. Kahana

Im Jahr 2016 legte Jair Bolsonaro eine weiße Robe an, um sich im Jordan von einem prominenten evangelikalen Priester taufen zu lassen. Damals war er noch Abgeordneter im brasilianischen Parlament. Nun ist er zurück in Israel - als Präsident des größten Landes Lateinamerikas. Viele der 40 Millionen evangelikaler Brasilianer hatten ihn dabei unterstützt.

Vier Tage - von Sonntag bis Mittwoch - verbringt Bolsonaro in Israel. Dabei geht es ihm nicht nur um Politik. Beide Seiten wollen Vereinbarungen in Bereichen wie Wissenschaft und Technologie, Handel, Verteidigung und Landwirtschaft unterzeichnen. Außerdem will Bolsonaro, der mit einer Evangelikalen verheiratet ist, religiöse Stätten im Heiligen Land besuchen.

Brasilien Jair Bolsonaro und Benjamin Netanjahu
Ziemlich gute Freunde: Benjamin Netanjahu besuchte Jair Bolsonaro schon zu dessen AmtsantrittBild: Reuters/Agencia Brasil/F. Frazao

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu war einer der wenigen westlichen Staatschefs, die an der Feier zu Bolsonaros Amtsübernahme am 1. Januar teilnahmen, nachdem dieser angekündigt hatte, Brasilien werde dem Beispiel der USA folgen und seine Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen. 

Genau wie Netanjahu, der seit mehr als einem Jahrzehnt US-amerikanische Evangelikale umwirbt, ist Bolsonaro ein offener Befürworter von US-Präsident Donald Trump und dessen Politik. Und auch Trump hatte im Wahlkampf viele Evangelikale für sich gewonnen.

"Der Hauptgrund für Bolsonaros Besuch ist es, auf die Linie Trumps und seiner evangelikalen Basis einzuschwenken", sagt Arie Kacowicz, Professor für internationale Beziehungen an der Hebräischen Universität Jerusalem.

Handelsvertretung statt Botschaft

Bolsonaro, der auch "Trump der Tropen" genannt wird, ist inzwischen in Sachen Botschaftsverlegung zurückhaltender, nachdem seine Wirtschaftsberater, das Militär und die mächtige Agrarlobby sich dagegen ausgesprochen hatten.

Würde Bolsonaro die Botschaft nach Jerusalem verlegen, zöge er den Groll muslimischer, insbesondere arabischer Staaten auf sich. Das hatten diverse Regierungen deutlich gemacht. Ein solcher Schritt stünde nicht nur im Gegensatz zur brasilianischen Tradition von Multilateralismus und Neutralität. Es könnte auch wirtschaftliche Einbußen für Brasilien bedeuten. Das Land ist der weltgrößte Exporteur von Halal-Rindfleisch, und die Empfängerländer sind nicht zuletzt die, die nun gedroht hatten. Stattdessen will Brasilien nun ein Handelsbüro in Jerusalem eröffnen.

Israel Klagemauer Jerusalem | Netanjahu & Bolsonaro, Präsident Brasilien
Gemeinsam an der Klagemauer: Jair Bolsonaro (l.) und Benjamin NetanjahuBild: Getty Images/AFP/M. Kahana

Aber schon der Besuch Bolsonaros wird als Erfolg für Netanjahu gesehen, nimmt der doch für sich in Anspruch, Israel außenpolitisch zu neuer Größe verholfen zu haben. Unter seiner Führung hat Israel enge Bande mit diversen rechten Regierungen in Indien, Europa und jenseits des Atlantiks geknüpft. Den neuesten Freund Israels hat er nun wohl in Bolsonaro gefunden.

"Brasilien ist die größte Regionalmacht in Lateinamerika, daher kann dieser Besuch als diplomatischer Triumph für Netanjahu gewertet werden", sagt Kacowicz. "Gleichzeitig bestätigt es, dass sich diese Regierung lieber mit illiberalen oder populistischen Demokratien verbündet, und sich von den US-Demokraten und traditionell liberalen Ländern in Europa distanziert."

Netanjahu im Wahlkampf unter Druck

Benjamin Netanjahu und seine Likud-Partei können derzeit jede Erfolgsmeldung gebrauchen. Am 9. April wählt Israel ein neues Parlament, und der Regierungschef will wiedergewählt werden - inmitten von Korruptionsvorwürfen gegen ihn. Schon die Anerkennung der Golanhöhen als israelisches Territorium durch US-Präsident Trump deuteten Beobachter als Wahlkampfunterstützung für den Ministerpräsidenten.

Für Brasiliens Ex-Außenminister Marcos Azambuja ist das Timing von Bolsonaros Israelreise problematisch: "Er sollte nicht wenige Tage vor einer entscheidenden Wahl nach Israel reisen. Wir sollten uns nicht in die israelische Innenpolitik einmischen - weder in die eine, noch die andere Richtung." Zweifellos werde die Regierung sich mit Bolsonaros Besuch schmücken; schließlich neige Netanjahu ohnehin dazu, für seine Innenpolitik auch Unterstützung von außen zu holen.

Ex-Diplomat Azambuja, der mittlerweile Berater des Brasilianischen Zentrums für Internationale Beziehungen ist, zeigt sich auch besorgt über den ideologischen Schwenk in der brasilianischen Außenpolitik, der nicht zu dem multi-ethnischen und multi-religiösen Brasilien passe: "Diese Tendenz zu einer evangelikalen Vision ist der Abschied von der Idee eines säkularen Staates, eines Landes, das tolerant gegenüber allen Religionen und Sekten ist."