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Hoffen auf den "Grexit"?

Alexander Andreev10. Juli 2015

Viele Griechen kaufen wegen der günstigeren Preise in Bulgarien ein, auch zahlreiche Firmen aus Hellas hat es ins Nachbarland gezogen. Die Meinungen über die möglichen Folgen eines "Grexit" für Bulgarien sind gespalten.

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Ein Schaufenster in Sofia, Bulgarien (Foto: DW/Ilcheva)
Bild: BGNES

"Wir kaufen oft in Bulgarien ein", erzählt Demetra Apostolaki aus der griechischen Stadt Xanthi. Denn vieles sei dort nur halb so teuer wie in Griechenland. Neulich habe sie in Bulgarien auch einige Medikamente kaufen können, die in Griechenland nicht mehr zu finden seien, berichtet sie in der Tageszeitung "24 Tschassa". Sogar das bulgarische Außenministerium empfiehlt Griechenland-Reisenden mittlerweile, Medikamente und Benzin in Bulgarien auf Vorrat zu kaufen - wegen der Knappheit im Nachbarland.

In den letzten Wochen berichten bulgarische Medien immer wieder, dass Griechen aus der Grenzregion zum Einkaufen und Tanken nach Bulgarien fahren. Die bulgarischen Lebensmittel- und Benzinpreise sind teilweise bis zu 30 Prozent niedriger als im krisengebeutelten Nachbarland.

Preiswerte Schönheits-OPs und Zahnarztbehandlungen in Bulgarien

Zwischen den beiden südosteuropäischen EU-Staaten gibt es intensive Geschäftsbeziehungen. In den letzten zehn Jahren haben griechische Unternehmer rund 3,5 Milliarden Euro in Bulgarien investiert, damit liegt Griechenland auf Platz drei der wichtigsten Auslandsinvestoren Bulgariens. Die etwa 200.000 bulgarischen Gastarbeiter und Saisonkräfte in Griechenland bringen jährlich insgesamt 50 bis 60 Millionen Euro ins Heimatland. Außerdem gehen bis zu 50 Prozent der bulgarischen Energie-Exporte ins Nachbarland und 14.400 griechische Firmen sind in Bulgarien gemeldet. Gleichzeitig besuchen viele Touristen aus beiden Staaten das jeweilige Nachbarland.

Der bulgarische Tourismus-Experte Rumen Draganov stellt fest, dass viele der mehr als eine Million griechischen Touristen, die jährlich Bulgarien besuchen, ihre Reise auch für Zahnarztbehandlungen oder Schönheits-OPs nutzen. "Die Preise sind zwei bis dreimal niedriger als in Griechenland. Das Gleiche gilt auch für den Automobil-Bereich", so Draganov im Gespräch mit der DW. Griechische Geschäftsleute aus der Grenzregion fahren ohnehin oft Autos mit bulgarischer Zulassung. Der Grund: Sie sparen damit bis zu 75 Prozent an Steuern und Versicherungskosten. In einem Gespräch sagt der bulgarische Wirtschaftsberater Vladimir Popov, dass viele Griechen sogar nur wegen der PKW-Zulassung eine Firma in Bulgarien anmelden. Das ist aber nicht der einzige Grund, der Bulgarien für Unternehmer attraktiv macht: Im Land gibt es einen Einheitssteuersatz von nur zehn Prozent.

Touristenmassen am Schwarzen Meer in Bulgarien (Foto: AFP)
Bulgarien ist traditionell ein beliebtes Reiseziel für Griechen - aber jetzt gehen die Buchungen zurückBild: TR/AFP/Getty Images

Welche Folgen hätte ein Grexit für Bulgarien?

Vor diesem Hintergrund könnte ein Grexit auch positive Folgen für Bulgarien haben, sagt der bulgarische Vizepremier Tomislav Dontschev: "Wegen der ausgezeichneten Steuerbedingungen und des stabilen Geschäftsklimas in Bulgarien würde er in diesem Fall eine verstärkte Migration von Unternehmen in unser Land bewirken." Und davon könnte Bulgarien profitieren.

Werden also - gerade im Fall eines Grexit - immer mehr Griechen ihr Geld in Bulgarien ausgeben und zum Teil sogar ihre Steuerverpflichtungen ins Nachbarland verlegen und dadurch die griechischen Steuereinnahmen mindern? Nein, so einfach ist das nicht, meint der bulgarische Wirtschaftsexperte Martin Vladimirov in der Wochenzeitung "Kapital": "Es gibt keine stichhaltigen Analysen. Es könnte sogar sein, dass Kapital aus Bulgarien nach Griechenland abfließt."

Dimitar Spassov, Geschäftsführer einer Supermarktkette, beobachtet keinen signifikanten Zuwachs an griechischen Kunden in der Grenzregion. Und der Tourismus ist in vielen Orten sogar eingebrochen. Die Zeitung Wall Street Journal beschreibt die Probleme des bulgarischen Ferienorts Sandanski: Bis vor kurzem seien hier wöchentlich 150 Busse mit griechischen Touristen angekommen, heute nur noch zwei bis drei.

Bei einem Thema sind sich aber alle Experten einig:Unterm Strich überwiegen die negativen Auswirkungen der griechischen Krise auf die Geschäftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern. Auf einen Grexit dürften deshalb die wenigsten hoffen in der Grenzregion zwischen Bulgarien und Griechenland.