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Politik

Gastkommentar: Xis Macht ist nicht mehr unantastbar

3. Dezember 2022

Die Proteste gegen die Covid-Politik in China zeigen: Das Bild von Chinas mächtigstem Politiker seit Deng Xiaoping hat Kratzer bekommen, meint Junhua Zhang.

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Chinas Präsident Xi Jinping
Bild: Xie Huanchi/IMAGO

Xi Jinping, der unangefochtene chinesische Führer, bestimmt von der Gesundheits- über die Wirtschafts- bis zur Außenpolitik, natürlich zum Wohle der Nation, alles. Erst vor kurzem zementierte er seine Machtstellung auf dem 20. Parteitag der KPCh, warb auf dem G-20 Gipfel in Indonesien und dem APEC-Gipfel in Thailand um internationale Anerkennung. Doch dann ertönten auf der Straße in Shanghai Forderungen nach seinem Rücktritt.

Der Auslöser: Xis strikte Null-Covid-Politik. Millionen Menschen in China wurden wie Haustiere eingesperrt und an den Rand des Wahnsinns getrieben, wenn nur ein einziger positiver Covid-Fall gemeldet wurde. Nach drei Jahren Pandemie und wiederholten Lockdowns ist diese Politik, die angeblich dem Schutz der Bevölkerung dient, nur noch absurd.

Widersprüchlichkeiten des Regimes

China braucht die Null-Covid-Strategie nicht. Seit dem Auftreten der Omikron-Variante ist sie auch gar nicht mehr möglich. Der Propaganda-Apparat des Landes will aber dem Westen zeigen, dass sein autoritäres System die großen Herausforderungen der Pandemie besser meistern kann, und verschleiert alles, was schief geht - auf Kosten der Bürgerrechte. Dabei spielte Xi selbst eine unrühmliche Rolle. Das Milliardenvolk schaute im Fernsehen zu, wie Xi bei seinem Auslandsbesuch keine Maske trägt. Währenddessen sehen Millionen Fußballfans in China keine vollen Stadien bei der Weltmeisterschaft in Katar, da das Staatsfernsehen die Live-Bilder retuschiert. Eine krasse Augenwischerei.

China Guangzhou | Corona-Maßnahmen | Medizinisches Peronal in Schutzausrüstung
Bild: Anadolu Agency/picture alliance

Der erste Monat der mit den ungeschriebenen Regeln der Partei brechenden dritten Amtszeit von Xi begann nicht wie geplant. Die "Weiße-Blätter"-Demonstrationen sind gewiss keine Vorboten für ein Ende der KP-Herrschaft. Auch mit den monatelangen Studentenprotesten von 1989 sind sie - noch - nicht vergleichbar.

Aber die überwiegend jungen Demonstranten, Studenten, Angestellte, Arbeiter, lernen gerade das kompromisslose Vorgehen des Regimes gegen Proteste kennen und damit umzugehen. Sie nutzen die Tunnelsoftware VPN für freien Internetzugang zur Außenwelt, sie verabreden sich unbemerkt über soziale Netzwerke zu Spontandemonstrationen. Ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Überwachungsstaat. Die cleveren Demonstranten zitierten Staatschef Xi, der im Oktober 2020 auf der Gedenkveranstaltung zum Koreakrieg sagte: "Die Menschen in China sind bestens organisiert. Sie lassen sich nicht einfach so auf die Füße treten."

Dem Westen Überlegenheit zeigen

Chinas Regierung hat inzwischen signalisiert, von der strikten Null-Covid-Strategie abzuweichen. Covid-Erkrankungen könnten demnach als ein grippaler Infekt eingeordnet werden. Auch der deutsche Impfstoffhersteller BioNTech hat nach anfänglicher Blockade durch Peking inzwischen Aussichten, in China zugelassen zu werden. Das wäre ein Ausstiegsszenario für Xi aus seiner bisherigen Covid-Politik. Er selbst aber wird unter keinen Umständen Fehler zugeben. Vielmehr würde eine Abkehr von der Null-Covid-Strategie als jüngstes Beispiel für Xis Weisheit verkauft. Und der wird in vollen Zügen genießen, wie übereifrig die Funktionäre vor Ort ihre Loyalität zu ihm demonstrieren. Das Leiden der davon betroffenen Menschen scheint ihm egal zu sein.

Dr. Junhua Zhang, 1958 in Shanghai geboren, ist ein deutscher Politologe chinesischer Abstammung. Er promovierte in Frankfurt am Main im Fachbereich Philosophie. Derzeit ist Zhang Gastprofessor an der Ecole Universitaire de Management in Frankreich.

Der Text wurde aus dem Chinesischen adaptiert und gekürzt.