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Politik

Flucht vor Gewalt und Diskriminierung

Luisa Rollenhagen
27. März 2019

Diana Namusoke und Success Johnson sind aufgrund ihrer Homosexualität aus Afrika nach Deutschland geflohen. Aber statt Schutz zu finden, sehen sich die beiden Frauen mit einem chaotischen Asylverfahren konfrontiert.

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Deutschland - Lesbische Asylsuchende: Success Johnson und Diana Namusoke
Bild: Dr Kerstin Söderblom

Diana Namusoke ist verzweifelt, ihre Stimme zittert vor Frustration und Enttäuschung: "Ich weiß einfach nicht, was sie von mir wollen", sagt sie ins Mikrofon: "Ich weiß einfach nicht, warum sie mir nicht glauben". Es ist ein bitterkalter Januartag in Berlin. Diana Namusoke sitzt in einer Kirche im Stadtteil Kreuzberg. Die zierliche Frau versinkt fast in ihrer Winterjacke und ihrer Strickmütze. Ihre ganze Körperhaltung signalisiert, dass sie sich am liebsten vor der gesamten Welt verstecken möchte. Success Johnson sitzt ihr gegenüber, nervös rührt sie mit einem Löffel in ihrer Tasse Tee. Sie holt tief Luft und schüttelt den Kopf: "Denen sind andere Menschen doch egal", seufzt sie.

Namusoke, 48, und Johnson, 27, sind zwei lesbische Frauen aus Uganda und Nigeria, die nach Deutschland gekommen sind, um Asyl zu beantragen. So haben sie es gleich bei mehreren Behörden zu Protokoll gegeben: Zunächst bei der Polizei, dann in der Flüchtlingsunterkunft und schließlich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Als lesbische Frauen, sind die beiden überzeugt, müssten sie in ihren Heimatländern um ihr Leben fürchten und könnten sie sich nirgendwo sicher fühlen. Und jetzt sollen sie genau dorthin zurückgebracht werden, von wo sie verzweifelt versucht haben zu fliehen.

Dass die beiden dennoch wieder in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden sollen, hat aus Sicht des BAMF und der beteiligten Behörden einen einfachen Grund: Die Verantwortlichen glauben nicht, dass die beiden Frauen lesbisch sind. Eine "lückenlose Schilderung" dafür sei nicht erbracht worden, hieß es beim BAMF im vergangenen Herbst. Dieser wäre allerdings nötig gewesen, um dem Antrag auf Asyl Folge leisten zu können.

Leben in Angst und Unsicherheit

Die Entscheidung der Behörden wollten die beiden Frauen so nicht akzeptieren: Sie flohen erneut, diesmal aus Bayern, wo ihr Asylantrag abgelehnt wurde, nach Berlin. Dort fanden sich gleich zwei Kirchengemeinden, die ihnen Asyl gewährten.

Deutschland - Parade zum Christopher Street Day in Berlin
In vielen afrikanischen Staaten undenkbar: Ein offenes Bekenntnis zur Homosexualität wie hier in Berlin im Sommer 2018Bild: picture-alliance/ZUMA/O. Messinger

Namusoke erzählt, dass ihr schon sehr früh klar war, dass sie lesbisch ist - schon mit 13 hatte sie ihre erste Freundin. Ein paar Jahre lang konnte sie ihre sexuelle Orientierung vor ihrer Familie verbergen. Mit 16 war mit dem Versteckspiel allerdings Schluss. Die Folge: Sie flog von zu Hause raus. Für die Teenagerin hatte die Entscheidung ihrer Familie dramatische Konsequenzen: Sie besiegelte das Ende ihrer schulischen Ausbildung, bedeutete das Ende ihres gewohnten familiären Umfelds und den Beginn eines Lebens, das von Angst, Unsicherheit und nie enden wollender Bürokratie geprägt wurde. In Uganda ist Homosexualität illegal und strafbar, es drohen lange Gefängnisstrafen.

Namusokes Anwältin, Andrea Reents, hat schon viele LGBTQ-Flüchtlinge in Deutschland vertreten. Im Gespräch mit der Deutschen Welle (DW) erzählt sie, dass in Ländern, in denen Homosexualität illegal ist, die Strafverfolgungsbehörden oftmals wegsehen, wenn es zu Gewalt gegen Menschen aus der LGBTQ-Community kommt. "Da werden Leute auf offener Straße verprügelt," sagt sie. "Wenn die Polizei kommt, werden meistens nicht die Täter verhaftet, sondern die Opfer."

Namusoke wurde auch schon verprügelt. Ihre Aussage zu den Vorfällen hat sie zusammen mit Johnson in einer Videobotschaft festgehalten und dem Deutschen Bundestag zukommen lassen. Im Jahr 2014 gelang es ihr, zusammen mit einer Bekannten aus Uganda nach Deutschland zu fliehen. Gleich nach der Landung stellte sie einen Antrag auf Asyl. In ihrer ersten Aussage gab sie gegenüber der Polizei an, dass sie lesbisch sei. Als sie allerdings in einem Flüchtlingslager mit anderen Geflüchteten aus Uganda und anderen afrikanischen Ländern untergebracht wurde, kam die vertraute Angst zurück. "Ich bekam solche Panik, dass ich dieselben Diskriminierungen erleiden muss wie früher, wenn die anderen erfahren, dass ich homosexuell bin". Aus Sorge vor den Drangsalierungen beging sie einen folgenschweren Fehler. Im Interview mit Vertretern des BAMF gab sie lediglich an, aus Furcht vor einer Zwangsheirat aus Uganda geflohen zu sein.

Uganda Homosexuell vor einem Regenbogenfahne
Gefährliches Bekenntnis: Ein Mitglied der LGBTQ-Bewegung demonstriert 2014 in Uganda für die Rechte der CommunityBild: picture-alliance/AP Photo/R. Vassie

Ulrike La Gro arbeitet als Referentin für den eingetragenen Verein Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche. Die studierte Theologin und Kulturwissenschaftlerin sieht das Verfahren um Namusoke als gutes Beispiel dafür, was alles schiefläuft im deutschen Asylsystem. Gerade wenn es um verletzliche Individuen aus der LGTBQ-Community gehe, "sollte man besonderen Schutz und spezielle Beratungsangebote" wahrnehmen dürfen. In Namusokes Fall sei dies genau nicht geschehen. Ein weiteres Problem sei, so La Gro gegenüber der DW, dass die Berichte des BAMF auf Deutsch verfasst würden und übersetzt werden müssten: "Namusoke war besorgt, dass ihre sexuelle Orientierung bei der Übersetzung publik werden würde und sie daraufhin wieder mit Diskriminierung zu rechnen hätte."

Traumatische Erlebnisse auf der Flucht

Ähnlich wie Diana Namusoke wusste auch Success Johnson schon mit 13 Jahren, dass sie lesbisch ist. Nachdem sie schon als kleines Mädchen ihre Eltern verloren hatte, wuchs sie in Benin-Stadt in Nigeria auf. Auch in Nigeria ist Homosexualität strafbar. Sie verließ das Land im Jahr 2009, reiste zunächst nach Libyen und dann schließlich über das Mittelmeer nach Spanien. Es fällt ihr sehr schwer, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Immer wieder stoppt sie, ihre Stimme verliert sich, ihre Augen sind die ganze Zeit starr auf den Teebecher gerichtet. "Ich will nicht über Spanien reden", sagt sie. "Es war sehr schmerzhaft."

Viele Details ihrer Geschichte bleiben im Unklaren, das Wenige, was sie preisgibt, klingt nach einem Horrortrip: Auf dem Weg nach Spanien sei sie vergewaltigt worden, in Spanien habe sie ein Mädchen zur Welt gebracht. Nachdem sie sich einige Zeit illegal im Land aufgehalten hatte, hätten die Behörden ihr Kind weggenommen. Über die Schweiz, sagt sie, sei sie schließlich nach Deutschland gekommen. Dort habe sie zunächst nicht angegeben, dass sie lesbisch sei. Aus Angst, die Behörden würden ihr wegen ihres Kindes nicht glauben: "Ich dachte, wenn ich zugebe, dass ich lesbisch bin, würde man sich sofort von mir abwenden." Erst als sie Kontakt zu LeTRa bekam, einer Münchener Beratungsstelle für Lesben und lesbische Flüchtlinge, begann sie langsam, ihre Homosexualität auch nach außen zu zeigen. Dort lernte sie auch Namusoke kennen.

Christopher Street Day Rainbow Refugees Munich
Im Rahmen des Christopher Street Days zeigen sich die Demonstranten im Sommer 2016 mit Flüchtlingen solidarischBild: imago/Nordphoto

Kulturelle Unterschiede finden kaum Beachtung

Julia Serdarov arbeitet als Beraterin bei LeTRa. Ihrer Ansicht nach müssten die Aussagen der beiden Frauen gegenüber dem BAMF auch vor dem kulturellen Hintergrund der beiden bewertet werden: "In diesen Interviews geht es darum, über die eigene Biografie so eine Narration zu entwickeln. Ich habe wirklich das Gefühl, dass diese Vorstellung, die das Bundesamt da besitzt, einfach mit dem kollidiert, was die meisten Menschen fühlen, die da in der Anhörung über extrem traumatisierende Ereignisse reden müssen." 

Sowohl Johnsons als auch Namusokes Anwälte haben vor Gericht Einspruch gegen die Entscheidung des BAMF eingelegt. Das Kirchenasyl hat sie zwar zunächst vor der Ausweisung bewahrt, die Angst jedoch ist geblieben. "Wir sind einfach nicht mehr sicher," sagt Namusoke. Die Öffentlichkeit ihrer Fälle habe dazu geführt, dass sie in ihren Heimatländern nun leicht zu Opfern werden könnten. Und Johnson fügt hinzu, dass die psychische Belastung enorme Ausmaße angenommen habe: "Aus Angst kann man nachts nicht mehr schlafen. Sobald man ein Auge zumacht, geht das andere auf. Die Angst ist zum ständigen Begleiter geworden."