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Der Handel mit antiken Kulturgütern

Günther Wessel26. Oktober 2015

Raubgrabungen zerstören das kulturelle Erbe der Menschheit. Nicht nur Diebe, auch Terroristen verdienen bei dem Geschäft. Sammler dagegen ahnen oft nicht, woher die Ware kommt. Ein Gastbeitrag von Günther Wessel.

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Zerstörte Kunstwerke im Irakischen Nationalmuseum in Bagdad (April 2003)
Bild: Getty Images/Spencer Platt

Es sieht aus, als habe mitten in der Wüste ein Massaker stattgefunden: Schädelplatten, Oberschenkel und Rippenbögen liegen herum; menschliche Knochen sind achtlos übereinander geschaufelt. Dazwischen ein kleines Stück bemaltes Holz, eine Tonscherbe, Reste von Bandagen.

Abu Sir al Malaq, etwa 90 Kilometer südlich von Kairo: Hier gruben die deutschen Archäologen Otto Rubensohn und Georg Möller Anfang des 20. Jahrhunderts eine Nekropole aus. Ihre Arbeiten endeten 1908, danach versandeten die Gräber wieder. Heute suchen hier die Raubgräber ihr Glück. Überall sind Löcher in den Sand und Schotter gewühlt; viele führen senkrecht hinab. "Abu Sir war für seine bemalten Sarkophage berühmt", sagt die ägyptische Archäologin Monica Hanna. Sie dokumentiert die Raubgrabungen und weiß, dass das Gräberfeld mittlerweile zu mehr als 90 Prozent geplündert wurde. Die Diebe versprechen sich einen ordentlichen Profit, wenn sie ihre Fundstücke verkaufen.

Ein boomender Markt für antike Stücke

Seit etwa 25 Jahren boomt das Geschäft mit geraubten Kulturgütern. Auch vorher wurde in vielen Ländern schon illegal gegraben: Doch seit der Nahe Osten und Nordafrika von politischen Unruhen erschüttert werden, nehmen die Raubgrabungen zu. Seit 2011 hat sich die Menge der raubgegrabenen und gestohlenen Artefakte aus Ägypten verdoppelt. Kein Einzelfall. Auch im Irak werde seit etwa 25 Jahren systematisch geplündert, sagt Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums in Berlin.

Raubgrabungen bei Abu Sir in Ägypten
Raubgrabungen bei Abu Sir in ÄgyptenBild: Günther Wessel

Die Raubgräber liefern Nachschub für einen gierigen Markt, der seit den 1990er Jahren explodiert. Damals verfielen Aktien in ihrem Wert, und so suchte man andere Anlagemöglichkeiten. Viele investierten in Kunst – und in Altertümer. Für antike Kunstgegenstände werden mittlerweile sehr hohe Preise gezahlt. So erzielte eine 75 Zentimeter große, ägyptische Statue im Sommer 2014 bei einer Auktion in London 14 Millionen Pfund. Im Dezember 2007 brachte eine acht Zentimeter große und 5000 Jahre alte Sandsteinfigur aus dem heutigen Irak bei einer Auktion von Sotheby's in New York 57 Millionen Dollar ein.

Organisierte Banden und Terroristen

Derart hohe Summen locken reihenweise organisierte Kriminelle an. Waren es einst nur die Bauern aus den Dörfern, sind laut der Archäologin Monica Hanna heute gut organisierte Banden mit Experten am Werk, die genau wüssten, wo sie graben müssten. "Sie nutzen Ultraschallgeräte, um die Grabschächte zu finden, und sie setzen schwere Maschinen ein", berichtet sie. Die Raubgräber schrecken dabei nicht vor Gewalt zurück: Auch auf Monica Hanna wurde bereits geschossen.

Neben Banden finanzieren sich Terrorgruppen mit dem Verkauf illegal ausgegrabener Stücke. Dass der IS antike Stätten nicht nur zerstört, sondern auch plündert und die erbeuteten Kulturgüter gewinnbringend verkauft, ist hinlänglich bewiesen.

Ein Loch im Wüstenboden bei Abu Sir in Ägypten
Zurück bleiben nur Löcher (Abu Sir)Bild: Günther Wessel

Sammler sind meist ahnungslos

Der Sammler allerdings, der bei einem Auktionshaus oder in einer Galerie ein antikes Stück kauft, ahnt kaum etwas von diesen Praktiken. Dort werden die Artefakte nämlich mit alten Herkunftsbezeichnungen angeboten. Wie im Frühsommer diesen Jahres durch eine Oberhausener Galerie: Eine fünf Zentimeter große Elfenbein-Statuette aus der Spätzeit des pharaonischen Ägypten (664 bis 332 v. Chr.) wurde laut Herkunftsnachweis angeblich um 1900 in Ägypten ausgegraben, kam dann in eine New Yorker und ab den 1960er Jahren in eine deutsche Privatsammlung. In Wirklichkeit wurde die Figur aber 2013 aus einem Grabungsmagazin im ägyptischen Elephantine gestohlen.

Konfrontiert man Händlervertreter mit solchen Beispielen, wiegeln sie ab und sprechen von Einzelfällen. Für sie stammen die meisten Antiken auf dem Markt aus alten Sammlungen. Friederike Fless, Präsidenten des Deutschen Archäologischen Instituts, widerspricht: "So viele alte Sammlungen gibt es überhaupt nicht wie Objekte angeboten werden." Die Sammler müssten lernen, betont sie, dass die meisten Artefakte illegal nach Deutschland kämen und aus Raubgrabungen stammten.

Raubkunstverkauf ist kein Kavaliersdelikt

Der Schmuggel von gestohlenen oder illegal ausgegrabenen Antiken sei kein Kavaliersdelikt, stellt Sylvelie Karfeld vom Bundeskriminalamt klar. Sie schätzt die Umsätze des illegalen Antikenhandels auf jährlich sechs bis acht Milliarden US-Dollar. Damit konkurriert das Geschäft mit Raubgütern um einen der vorderen Plätze auf der Liste der umsatzstärksten illegalen Erwerbsquellen.

Archäologen hingegen geht es nicht mal so sehr um den monetären Wert von antiken Stücken. Sie betonen vielmehr, dass mit den illegalen Ausgrabungen die Vergangenheit von Völkern vernichtet werde: Denn die einzelnen Objekte erzählen ohne den Grabungszusammenhang keine Geschichte mehr – sie sind wie einzelne Seiten aus einer verbrannten Bibliothek.

Das Kulturschutzgesetz ist unzureichend

Deutschlands Rolle bei dem Geschäft ist übrigens ziemlich unrühmlich. Kulturstaatsministerin Monika Grütters, gibt zu, dass "es relativ laxe Einfuhrregeln nach Deutschland gibt". Mit der angestrebten Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes will sie das ändern, doch mit dem vorliegenden Referentenentwurf sind viele Archäologen noch unzufrieden. Die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte mahnt, dass "viele der geplanten Bestimmungen des Gesetzentwurfes an wichtigen Stellen ungenau und nicht zielführend" seien.

"Das schmutzige Geschäft mit der Antike. Der globale Handel mit illegalen Kulturgütern" von Günther Wessel ist kürzlich erschienen.